Absahner, Ideologe

>> Es gibt nicht viele Menschen, die sich leisten, was ich mir leiste: Sie sagen nicht auf der einen Seite: „Ich nehme alles Geld mit, das ich kriege“, und auf der anderen gebärden sie sich als blöder, querulatorischer Anarchist. Ich habe mit diesem ideologischen Widerspruch, der kein dialektischer ist, nicht einmal ein Problem. <<

Doch, es gibt eine ganze Menge davon, eigentlich ist das eine weit verbreitete Haltung. Absahnen was geht und sich dabei als individueller Outlaw fühlen, das ist die klassische Rechtfertigung des Egoisten, der wohl irgendwie die Unvereinbarkeit der moralischen mit den materiellen, auch nachhaltigen Ansprüchen der Gesellschaft ahnt, sich darum aber nicht schert oder schlicht nicht die Energie oder das Vermögen hat, solche Widersprüche aufzulösen oder auszuhalten.

Inhaltslose Gesten brauchen zunehmend drastische Darstellung. So bildet sich Hilflosigkeit in der Erklärung der Welt ab. Die Verwahrlosung und Redundanz des Provokativen als Leere Hülle scheint damit zu tun zu haben, daß die Untauglichkeit und Unzulänglichkeit der ideologischen Ansprüche erahnt werden.

Derart waren meine nächsten Gedanken auf den ersten Seiten des Interviews mit Castorf im Cicero aus dem das Eingangszitat stammt. Aber je mehr man weiterliest, umso schlimmer wird es. Trostlos, perspektivlos, gedankenarm. Ein armes von den eigenen Illussionen geschlachtetes Tier, das, sich im Kreis drehend, wild um sich beißt und wie ein Junkie die nächste Dosis steigert. Berlin.

Peinlich für einen Theatermann, auf diese Weise selbstgerecht und blind zu sein, die Grundhaltung unserer Gesellschaft für sich als heroisches Außenseitertum zu beanspruchen. Nicht Occupy Wall-Street, sondern Occupy Wall-Street-Attitude.

Und dann noch diese ekel-gefallsüchtige Faschismus-Selbstbeschreibung. L.v. Trier oder Zizek, Künstler oder Intellekutelle die durch und ausgelaugt sind, brauchen wohl das Suhlen in einer Ästhetisierung des Faschismus und des Unmenschlichen in den Ditkaturen allgemein. Da passt Wagner ungemein gut.

Bayreuth wird sicher lustig.

 

Thtrkrtk – Kritik als Attitüde

Ich verstehe nicht, was die zwanghafte Fixierung des Zuschauers auf eine metaphorische Verdichtung der Kritik für einen Erkenntnisprozeß oder nur Effekt hervorrufen kann, der außerhalb des Betrachters (Zuschauers)  liegen könnte. Dieses Theater ist nichts weiter als die Selbstbeweihräucherung durch Perpetuierung einer gemeinsamen Geisteshaltung, die sich aufgeklärt, gebildet und vor allem kritisch – individuell wähnt. Alles Zuschreibungen die nur die Form betreffen, nicht den Inhalt.

Was will dieses Theater von mir? Was geht mich das an? Was will ich vom Theater?

Ich will vom Theater nicht die Wiederholung von Diskursen, die dort spannend sind, wo sie betrieben werden und ansonsten nur den Schauspieler verdecken. Mit anderen Worten: das Durchkauen von Theorien oder Konzepten, Foucault oder Derrida, was auch immer, kommt auf dem Theater in etwa so, wie meine Kritik am Theater: Dilletantisch. Nur indem ich als Zuschauer ein Interesse habe, meine Liebhaberei oder mein Interesse zu erklären, ist von dem bezahlten Regisseur zu erwarten, daß er ein Stück abliefert und nicht halbgare Rezeptionen aus dem gehobenen Soziologieseminar, die Lücken aufgefüllt mit Ketchup und Speichel, Brustpiercing und Afterrosetten.

Es sei denn, die Erwartung geht aus von einem erzogenen Theatertheaterpublikum: Schaubühnentheaterpublikum, Volksbühnentheaterpublikum. Doch mehr, als daß ein Theater in Spielplan, Aufführungspraxis und Regie in eingespielten Einvernehmen mit dem Publikum  steht – und umgekehrt das Publikum sich suhlt in der kontrollierten Überschreitung der emotionalen Grenzen – in gedämpften Eskapismus und bärtig nickend in der Wiedererkennung der kritischen Affektion – mehr kann ich mir eine Verknöcherung von Kunst gar nicht vorstellen. Die gegenseitige Anbiederung in verschwörerisch bündnerischem Einverständnis zu den Verständigen zu gehören ist der Gipfel der Verknöcherung, denke ich in meinem Ohrensessel. Wenn Lars Eidinger dem Gast hinterherpflaumt und ihn quasi zum Duell fordert, weil dem das ganze Getue gegen den Strich läuft und das auch verlautbart, ist der berühmte Dialog mit dem Publikum ein unerwünschter – so dann doch nicht.

Der Schauspieler wird groß, wenn er Personen, Charaktere spielt und nicht Diskurse, Metaphern oder Eitelkeiten. Das ist das für den auf diesem Gebiet gebildeten Zuschauer so unglaublich langweilig, ein Theaterstück, am besten noch ein klassisches, in eine Theorie übersetzt zu sehen, die für uns eine unter vielen und so austauschbar wie sonstwas ist. Auch wenn die Bühnen sich ein Publikum hergezogen haben, was beim nächsten nackten Schniedel wieder kichert und sich wohlig in der Wiedererkennung einer Provokation suhlt. Das ist es sicher nicht, was eine Bearbeitung groß macht. Der Text ist groß und spannend, wenn er inhaltlich konkret wird und in der Theorie unklar bleibt.

Ich halte Faßbinder als Ursache für diese Entwicklung. Faßbinder war ein unmöglicher Mensch, ein Widerling, Menschenvernichter, Berserker und Diktator. Aber er hatte eine klare inhaltliche Vorstellung seiner Werke und hat seine Schauspieler gezwungen, Personen zu spielen, Charaktere zu formen, die sie nicht sind. Er war menschlich kein Vorbild. Er ist aber Vorbild geworden als Egoman und Bezwinger des neuen deutschen Kinos – offenbar nicht wegen seiner Stoffbehandlung, denn die steht doch ganz devot vor dem Text, wie es mit scheint.

Nun ist man nicht gut und geistreich, weil man Egoman ist und seine Schauspieler erniedrigt, ihre Rosetten vorzuzeigen. Sowenig wie der Rausch Inspiration ist, sondern nur verspricht.

Einige Regisseure heute imitieren Faßbinder wie Che Guevara … Wie diesem fällt Ihnen außer der Attitüde des Kampfes nichts ein. Faßbinder war vielleicht groß, weil er sich einen Dreck scherte um alles, was ihm bei der Durchsetzung seiner Ideen im Wege stand. Den Imiteuren des Stils fehlen aber die Ideen, die zu erreichen sie so gerne skrupellos wären. So fällen Sie Ihre Schauspieler unter dem Druck Faßbinderscher Methoden, degradieren sie soweit, daß sie kaum mehr die Würde der Charaktere spiegeln können, die sie verkörpern sollen.

Schauspieler, entledigt euch der Regisseure (und euren Regieallüren.) Natürlich findet Ihr es langweilig, zum zehnten Mal eine klassische Inszenierung des Käthchens zu sehen. Aber Ihr dürft eure Professionalität nicht mit der des Publikums verwechseln.

Und wer war Käthchen?

Volksbühne Bayreuth: Castorf wird Wagners Ring (inszenieren).

Ich sitze in der Kantine in der Volksbühne mit einem Stetoskop, das ich an die Decke halte. Castorfs Anweisungen notiere ich fleißig in ein Heft.

Wenn mich jemand fragt, wer ich bin, zeige ich auf mein Che Guevara T-Shirt unter dem geblümten Hemd (Theatermacher!) und Blecheimer mit Wischmopp, den ich vor langer Zeit in der Pappelalle für diesen Zweck besorgt habe. Ich behaupte, ich wäre das namenlose Faktotum in Trugatschews Drei Birken.

Die Volksbühne hat bereits wegen dem Preis für die Verwertungsrechte angefragt.
Die Vertragsunterzeichnung wurde in einer alten LKW-Montagegrube mit Maikäferblut und Federn von der russischen Graugans vorbereitet. Die Aktion verzögert sich, nachdem sich der ausgeliehene Tresen des King George, der zur Vertragsunterzeichnung herangeschafft wurde als nicht tauglich erwies. Während des ersten Probesignierens fraß sich das Maikäferblut tief durch den Tresen bis hinunter in die Sickergrube der Getriebeöle und Gelenkschmiermittel. Die Assistentin taucht in der goldbetressten colibrigrünen Fantasieuniform von Gaddafis Leibgardistinnen hinunter um zu retten was zu retten ist und taucht als Metapher von beschmierten Tressen (Militär) und goldenem Transportwesen (Fortschritt) wieder auf. Sie wurde sofort mit meinen in Stein gehauenen geklauten Regieanweisungen zum Stück erhoben:

Versteht man nicht? Macht nichts, denn

Castorf wird Wagners Ring. Ein Regisseur, dem Sprache zunehmend ähnlich läppisch und unbedeutend wird, wie sie für Wagner immer war und der oftmals einen Soundteppich verlegt, dessen martialische Wirkung ihm vermutlich auch Wagner geneidet hätte.

Es wird vermutlich ausgedachten Eskapismus mit Blut, Fleisch und Videosequenzen geben. Es wird in der Musik weiter jenen regulierten Eskapismus der Emotionen geben, dem die offene Freude an der italienischen Oper zu ordinär erscheint.

Passt doch.