Nach türksichen, iranischen und israelischen Medienberichten hat das türkische Militär die Angriffsoftware der F16 geknackt, so daß jetzt auch israelische Ziele beschossen werden können. Zuvor war die Bordsoftware Herstellerseits (das Pentagon) so eingerichtet, daß israelische Ziele als Verbündeter erkannt wurden und nicht attackiert werden konnten. (Skepsis ist angebracht, weshalb es dann so viel friendly Fire gab. Das ist vermutlich ein anderes Problem.)
Wenn es denn stimmen sollte, ist das ein Schritt Eskalation: Link
So eine Bordsoftware läßt sich eher nicht über Nacht umstellen. Dann ist es auch unwahrscheinlich, daß das Verhältnis zwischen Türkei und Israel wegen jäher Wallungen zweier vernagelter Sturköpfe zerbrochen ist (die sie offensichtlich sind).
Es ist nicht ausgeschlossen, daß der Strudel der durch die Arabellion, das Erwachen der jungen, das Aufbäumen der alten Kräfte Israel mit sich reißt. Möglich, daß Israel als Feindbild der einzig gemeinsame Nenner der maroden Gesellschaften dort ist. Aber wissen wir es? Und wollen wir es wissen?
Die neuerliche Diskussion um die Vorhersehbarkeit und die Erkennbarkeit des deutschen Antisemitismus (Patrick Bahners über Götz Aly in der FAZ) und die Gründe für die Eskalation sollten nur einen Sinn machen, wenn wir die Gegenwart aufmerksam beobachten und Erkenntnisse umsetzen.
Die Entwicklung der nationalsozialistischen Vernichtungspolitik ist eins der wichtigsten Forschungsfelder. Aber für die Gegenwart geht es nicht darum, sich zu streiten, an welchem Stück des Weges der Abzweig zum Sonderweg lag. Es reicht erstmal möglichst genau zu wissen, daß der Zug irgendwann in eine falsche Richtung fuhr, eine aussichtlose desolate gesellschaftliche Topologie ansteuerte und kaum ein Deutscher ausgestiegen ist.
Sicher sollte man unbeachtet wie sehr sich irgendwer im Recht fühlt, dafür sorgen, daß jeder einzelne aus dem Zug aussteigen kann. Ganz gleich wieviel Ehre, Stolz, Geld oder Ansehen diese Hilfe kostet.
Auch auf den Landkarten des Nahen Ostens, in den Köpfen zwischen Ankara und Teheran bis in den Magrheb hinein, so ist zu befürchten, ist Israel bereits jetzt eine Wüstenei, eine Schmach des Resentiments, der Rückständigkeit, des eigenen Versagens und Verharrens.
An diesen Punkt der deutschen Geschichte zu rühren, an das Versagen einer Gesellschaft vor den eigenen Ressentiments und der eigenen Rückständigkeit, ist, soweit ich bisher sehe, ein Ergebnis von Götz Alys neuem Buch „Warum die Deutschen …“. Ähnlich war es auch mit der Arbeit Volksstaat, die damals regelrecht zerrechnet wurde. Hinter einem Streit aus Steuersätzen und Auslandsschulden verging – sehr zum Wohl des deutschen Feuilletons – der Kern des Buchs, die Gefälligkeitsdiktatur, in der die Deutschen sich ohne jede Empathie bereichert haben an der Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und sich hieraus die Zustimmung noch der letzten Scheußlichkeit ergab. Wer sich einmal eine Weile mit derlei Akten, zum Beispiel der Oberfinanzpräsidenten, beschäftigt hat, kann die Diskussionen um den Grad der Kenntnis als Mitwisserschaft der Deutschen an der Verwertung menschlichen Lebens nur noch mit Abscheu und Schaudern zur Kenntnis nehmen: Wer keine Kenntnis hatte lebte nicht oder wollte kein Bewußtsein dazu bilden (Wer jetzt noch bestreitet, ist böswillig.) Das Bewußtsein von Gesellschaften über gesellschaftliches Handeln und die Kenntnis von Verantwortungszusammenhängen unterliegt einem historischen Entwicklungsprozeß.
Die Bewußtheit solcher Kenntnisse zu fördern ist notwendig, besonders im Nahen Osten. Es soll nur später keiner kommen und sich darauf berufen können, daß man das so ja nicht wollte und nicht wusste.