Abzählreim 25 minus

25 Bilder von Berlin soll es also geben. 25 Tage jeweils ein Bild, an deren Ende der Abschied gekommen sein wird und vermutlich noch keine Ankunft.

Den Anfang machte gestern das Alte Museum, das häufiger Thema sein wird. Ich sehe das Alte Museum als Flagschiff als Symbol für eine äußerst erfolgreiche Entwicklung innerhalb des Preußischen Staates, mittels Bildung die Fundamente des Staates zu stärken und den Prozeß der Entfeudalisierung abzuschließen. Mit der Humboldt-Universität und dem Neuen Museum ging dieser Prozeß weiter. Diese Großprojekte waren zwar nicht zuletzt auch Wirtschaftsförderung nach den napoleonischen Kriegen, dienten aber vor allem der Durchsetzung des Bürgertums und dem Ideal der Bildung vor Herkunft, Leistungswille vor Geburtstand, Möglichkeit vor Statik, Teilhabe vor Zuweisung, Partizipation vor Gehorsam. Die Pläne sollen auf Entwürfe zurückgehen, die Friedrich Wilhelm III. Schinkel übergeben hat. Ob das nun tatsächlich Eingang in die Gestaltung gefunden hat ist nachrangig.

Der Rückgriff auf die Antike ist dabei mehr als nur der ästhetischen Antikenbegeisterung geschuldet, die auch schon politisch inspriert war. Vor allem galt es den Ballast der Mitspracherechte des Adels und damit die Willkürherrschaft und territoriale Zersplitterung aufzubrechen. Der preußische Absolutismus, der schon recht früh begann, die Rechte der Untertanen zu stärken und im Sinne des Kameralismus den Untertan als Produktivkraft ernst zu nehmen und wenigstens als solche zu schützen (Befreiung der Domänenbauern), ist nicht zu verstehen, wenn man seine allmähliche Allianz mit dem Bürgertum gegen die Sonderrechte des Adels negiert.

Als dieser historische Ort war für mich das Alte Museum zunehmend der Mittelpunkt Berlins. Es kommt aber noch eine Dimension dazu, die sich bis in die Gegenwart mehr als das damalige Bildungsideal verlängert, wenn jetzt das Stadtschloß renaisiert wird.

Heine hatte für den Baustil Schinkels und diesen Geschmack der preußischen Herrscher nichts übrig. Mit dem ihm eigenen Spott, sah er den Rückgriff Schinkels auf die Gotik in der Friedrich-Werdersche-Kirche als Mutlosigkeit gegenüber der Moderne:

„Ich will nicht mißverstanden sein und bemerke ausdrücklich, ich stichle hier keinesweges auf die neue Werdersche Kirche, jenen gotischen Dom in verjüngtem Maßstabe, der nur aus Ironie zwischen die modernen Gebäude hingestellt ist, um allegorisch zu zeigen, wie läppisch und albern es erscheinen würde, wenn man alte, längst untergegangene Institutionen des Mittelalters wieder neu aufrichten wollte, unter den neuen Bildungen einer neuen Zeit.“ (Reisebilder, Dritter Teil, Kap. 2)

Diesselbe Situation haben wir mit dem Stadtschloß, das uns droht in Fassadenhängung den Ekklektizismus der Hohenzollern vorzuführen und darinnen die Bildung durch Medienkompetenz zu ersetzen. Die temporäre Humboldtkiste zeigt uns leider, daß uns die moderne Architektur keineswegs Alternativen bildet.

Es bleibt aber neben den beiden Zeitschichten oder Tiefenebenen drittens eine eigene Dynamik dieses Gebäudes, die ich in den drei oder vier Bildern des Alten Museums und des Lustgartens sehe.

Alexanderplatz – Fernsehturm

Alexanderplatz Fernsehturm

Ein Platz ohne Richtung und Ziel. Von der Mitte Berlins auf die Welt hin war dieser Platz einmal gerichtet: 1970, eingerahmt von den Wohnungen des Volkes, die Tribünen gleich den Aufmarschplatz seitlich rahmen. Südwestlich begrenzt von Schloß / Palast der Republik  nordöstlich durch die Bahn und die dahinter geschalteten hin

Auf das Zentrum des Platzes hin sind alle Zeitschichten vernichtet. Der Ort zeichnet sich ebenso durch Leerstellen aus, wie durch die einzelnen verbliebenen Landmarken, die jede für sich zu wenig ergeben, um auf Dauer Bestand zu haben und im Ensemble beziehungslos zueinander stehen, wie das Land, dessen Zentrum Berlin sein will, in der Nachkriegsgeschichte Beziehungen und Kontinuitäten vermeidet.

Sinnbildlich liegen die einzigen beiden Gesellschaftsteile, die sich in Tradition deutscher Geschichte identifizieren hier in Staub und Brache oder verbleiben als Relikte, die wegzuräumen mit zu hohen Kosten verbunden ist.

Die Zeit des Nationalsozialismus ist verewigt in diesem Platz durch die letztlich vollkommene Selbstzerstörung.

Aufnahme aus Google Earth

 

Nach 1945 waren von dem vollständig bebauten Areal nur noch einzelne Gebäude erhaltenswert. Was übrig blieb, fiel der Stadtplanung der DDR zum Opfer. Deren Plan, den Alexanderplatz als Propaganda des Fortschritts und des Sozialismus zu verwerten, gibt den Rahmen der heutigen Topographie vor.

In der Vertikalen fehlt Preußen, das Schloß, dahinter die Altstadt Berlins. Die einen gesprengt durch den Nationenbau des Sozialismus, im Versuch den neuen Menschen mit Hammer und Sichel zu schmieden.  Vom Rand weg, von links nach rechts folgen der Funktionsarchitektur eines Bewirtschaftungsgedankens mit dem Hotel (Nachwende), der Rahmen der beiden Wohnriegel, monumental in der Platzgestaltung. Marienkirche (jdfs 1292), Park Inn-Hotel (1970), Fernsehturm (1969), ein zurück gesetzter Funktionsbau der Ostblock-Moderne (das Haus des Reisens ebfs. 1969), der zweite Wohnriegel, das Rote Rathaus von 1861.

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