Thtrkrtk – Kritik als Attitüde

Ich verstehe nicht, was die zwanghafte Fixierung des Zuschauers auf eine metaphorische Verdichtung der Kritik für einen Erkenntnisprozeß oder nur Effekt hervorrufen kann, der außerhalb des Betrachters (Zuschauers)  liegen könnte. Dieses Theater ist nichts weiter als die Selbstbeweihräucherung durch Perpetuierung einer gemeinsamen Geisteshaltung, die sich aufgeklärt, gebildet und vor allem kritisch – individuell wähnt. Alles Zuschreibungen die nur die Form betreffen, nicht den Inhalt.

Was will dieses Theater von mir? Was geht mich das an? Was will ich vom Theater?

Ich will vom Theater nicht die Wiederholung von Diskursen, die dort spannend sind, wo sie betrieben werden und ansonsten nur den Schauspieler verdecken. Mit anderen Worten: das Durchkauen von Theorien oder Konzepten, Foucault oder Derrida, was auch immer, kommt auf dem Theater in etwa so, wie meine Kritik am Theater: Dilletantisch. Nur indem ich als Zuschauer ein Interesse habe, meine Liebhaberei oder mein Interesse zu erklären, ist von dem bezahlten Regisseur zu erwarten, daß er ein Stück abliefert und nicht halbgare Rezeptionen aus dem gehobenen Soziologieseminar, die Lücken aufgefüllt mit Ketchup und Speichel, Brustpiercing und Afterrosetten.

Es sei denn, die Erwartung geht aus von einem erzogenen Theatertheaterpublikum: Schaubühnentheaterpublikum, Volksbühnentheaterpublikum. Doch mehr, als daß ein Theater in Spielplan, Aufführungspraxis und Regie in eingespielten Einvernehmen mit dem Publikum  steht – und umgekehrt das Publikum sich suhlt in der kontrollierten Überschreitung der emotionalen Grenzen – in gedämpften Eskapismus und bärtig nickend in der Wiedererkennung der kritischen Affektion – mehr kann ich mir eine Verknöcherung von Kunst gar nicht vorstellen. Die gegenseitige Anbiederung in verschwörerisch bündnerischem Einverständnis zu den Verständigen zu gehören ist der Gipfel der Verknöcherung, denke ich in meinem Ohrensessel. Wenn Lars Eidinger dem Gast hinterherpflaumt und ihn quasi zum Duell fordert, weil dem das ganze Getue gegen den Strich läuft und das auch verlautbart, ist der berühmte Dialog mit dem Publikum ein unerwünschter – so dann doch nicht.

Der Schauspieler wird groß, wenn er Personen, Charaktere spielt und nicht Diskurse, Metaphern oder Eitelkeiten. Das ist das für den auf diesem Gebiet gebildeten Zuschauer so unglaublich langweilig, ein Theaterstück, am besten noch ein klassisches, in eine Theorie übersetzt zu sehen, die für uns eine unter vielen und so austauschbar wie sonstwas ist. Auch wenn die Bühnen sich ein Publikum hergezogen haben, was beim nächsten nackten Schniedel wieder kichert und sich wohlig in der Wiedererkennung einer Provokation suhlt. Das ist es sicher nicht, was eine Bearbeitung groß macht. Der Text ist groß und spannend, wenn er inhaltlich konkret wird und in der Theorie unklar bleibt.

Ich halte Faßbinder als Ursache für diese Entwicklung. Faßbinder war ein unmöglicher Mensch, ein Widerling, Menschenvernichter, Berserker und Diktator. Aber er hatte eine klare inhaltliche Vorstellung seiner Werke und hat seine Schauspieler gezwungen, Personen zu spielen, Charaktere zu formen, die sie nicht sind. Er war menschlich kein Vorbild. Er ist aber Vorbild geworden als Egoman und Bezwinger des neuen deutschen Kinos – offenbar nicht wegen seiner Stoffbehandlung, denn die steht doch ganz devot vor dem Text, wie es mit scheint.

Nun ist man nicht gut und geistreich, weil man Egoman ist und seine Schauspieler erniedrigt, ihre Rosetten vorzuzeigen. Sowenig wie der Rausch Inspiration ist, sondern nur verspricht.

Einige Regisseure heute imitieren Faßbinder wie Che Guevara … Wie diesem fällt Ihnen außer der Attitüde des Kampfes nichts ein. Faßbinder war vielleicht groß, weil er sich einen Dreck scherte um alles, was ihm bei der Durchsetzung seiner Ideen im Wege stand. Den Imiteuren des Stils fehlen aber die Ideen, die zu erreichen sie so gerne skrupellos wären. So fällen Sie Ihre Schauspieler unter dem Druck Faßbinderscher Methoden, degradieren sie soweit, daß sie kaum mehr die Würde der Charaktere spiegeln können, die sie verkörpern sollen.

Schauspieler, entledigt euch der Regisseure (und euren Regieallüren.) Natürlich findet Ihr es langweilig, zum zehnten Mal eine klassische Inszenierung des Käthchens zu sehen. Aber Ihr dürft eure Professionalität nicht mit der des Publikums verwechseln.

Und wer war Käthchen?