Vor einiger Zeit mußte ich eine Wohnung aufsuchen, eine junge Frau von etwa 22 Jahren, die, mit einem zweijährigen Kind, einem nichtsnutzigen, wesentlich älteren Mann und offensichtlich zu geringer Bildung, vor dem Dreigestirn des sozialen Abstiegs stand: Hartz IV, Wohnungsräumung, Insolvenz.
Wie üblich in solchen Familien ist das bei weitem Größte im Leben der Fernseher. Die Erfahrung aus der Familienbetreuung, den Besuchen im „prekären Bildungsniveau“, den Rechtsstreiten im sozialen Wohnungsbau u.s.f. lehren: Was auch immer ist, DVD-Player, Flachbildschirm und Playstation (jetzt zusätzlich auch Smartphone) gehört zur Grundausstattung.
Hier stand ein so gigantischer Bildschirm, dass es einem in die Glieder fuhr, weil man quasi im Maßstab eins zu eins mit der Sendung konfrontiert war. Morgens kurz vor 8 Uhr.
Vor dem Gerät stand ein Kind wie vor einem Panoramafenster zu einer anderen Welt und betrachtete im Privat-Sender einen nichtsnutzigen Mann auf einer Coach mit einer zu jungen Frau und einem zweijährigen Kind, allesamt kurz vor dem Dreigestirn des sozialen Abstiegs stehen: Hartz IV, Wohnungsräumung, Insolvenz.
Dieselben aussichtslosen Verhältnisse, dieselbe Wohnungseinrichtung, derselbe große Fernseher und derselbe motivationslosen Vater mit einem skurrilen Hobby (Samuraischwerter und blutrünsitge T-Shirts).
Kinder im zarten Alter schweben ja gerne ein wenig, wenn Sie regungslos in die Betrachtung vertieft sind und die Vorgänge vor sich sinnlich aufnehmen. So trieb dieses Kind schnullernd im Orbit zwischen den Oberflächen zweier gleichartiger Welten und zwischen der reelen und der medialen Festlegung von Gegenwart und Zukunft.