Karl Schlögel im Interview

Karl Schlögel (z.B. Im Raume lesen wir die Zeit) hat ein Interview im Standard gegeben.

Ich hatte einen kurzen Faden an bestimmten Parallelen zur Krisenzeit vor dem ersten Weltkrieg gesponnen. Vor dem Hintergrund sollte man sich die folgende Passage aus dem Interview mal in Ruhe ansehen. Geschichte ist ein Dickschiff. Wir haben dort, nun ja, Passage? Oder geht noch was?

Schlögel: Ich würde es so formulieren: Es gab keine geschichtliche Mechanik, dass es so gelaufen ist. Es war aber auch nicht so, dass der Schuss von Sarajewo fiel und danach alles außer Kontrolle geriet. Es gab eine Konditioniertheit, eine Verfasstheit der Imperien, die dazu führte, dass es dann so aufeinanderknallte und diesen Ausgang nahm. Ich würde nicht sagen, dass man um diese Katastrophe herumgekommen wäre, wenn es ein anderes politisches Personal gegeben hätte, das weniger hysterisch, weniger panisch, weniger kurzsichtig gewesen wäre. Die Großaufstellung der Industriepotenziale, der kolonialen Appetite, der Möglichkeiten, interne Konflikte aus Europa zu exportieren in die Kolonien, Reichtümer zu akquirieren, um solche Städte wie London, Paris, Petersburg oder Wien aufzubauen, dahinter stehen große Formationen, die in vielen Jahrhunderten gewachsen sind. Hinter dem, was dann mit ungeheurer Gewalt eskaliert ist, steckt diese Kraft und Zerstörungskraft.