Wert:enorm

Der Spiegel macht uns – dankenswert – die Tonaufnahmen von Bismarck und Helmuth von Moltke (dem Urgroßonkel von Helmuth James von Moltke, selig)  zugänglich.

Mit Moltke ist das einzige Tondokument erhalten, das die Stimme eines noch im 18. Jahrhundert geborenen Menschen erkennen läßt. (Moltke war 1800 geboren.)

Man kann zwar nichts verstehen, aber es ist zuverlässig alt:

Ja da ist der Wert enorm
in des Spiegels Wertenorm.

Ich möchte den Wert dieser Dokumente natürlich nicht herunterspielen. Nur was macht den Wert aus? Auch die hohe Stimme Bismarcks halte ich nicht für so spektakulär. Man denke etwa an Honecker, der gestraft war mit seinem Organ.

Hier, in der FAZ, leider mit Werbung, ist das Tondokument mit den Worten unterlegt, was einem die Durchhörbarkeit der Aufnahme wesentlich erleichtert.

Bei allen alten Aufnahme halte ich das eigentlich Bemerkenswerte in der Melodie, den Betonungen, dem Duktus. Das gesprochene Wort wirkt weit über den verlautbarten Inhalt hinaus.

Bemerkenswert an den Aufnahmen, besonders der von Moltke, ist die Verschränkung von  Erfahrung und Erwartungen, die Antizipation der Hülle dieser Botschaften aus der Vergangenheit. Die Stimmen sind eingebettet in einen Tornister aus Schallwellen, eisigen, stahlmahlenden Röhren aus Geräuschen, die an ein kaltes eisernes Zeitalter erinnern, das wie in einer Mühle der Zeit Eisenbahnen samt Kohletender und Schienen, vereiste Schlachtfelder und Stahlfabriken gegeneinander aufreibt. Hierin nehmen sich die Stimmen sanft und vielleicht ein wenig keck aus. „Vor Kühnheit ganz leicht bebend, als traue der Sprecher sich selbst nicht so ganz“ meint Edo Reents in der FAZ. Vielleicht auch das. Die komplexe Geräuschhülle ist jedenfalls sehr genau vorweggenommen in unzähligen Filmen und Büchern, die eine Metapher suchten für die Übertragung Nachricht aus der Vergangenheit und der Zukunft, für die Überbrückung von Zeitaltern und Welten.

S.a. Vergangene Zukunft, Erfahrungsraum und Erwartungshorizont

Schirrmacher, Lübberding und Kommentar. schnell schnell

„Wer ist man? Spricht dieser Typ immer so gestört über sich selbst?
MAN – WIR – UNSER.

Nicht lesenswert – da der Autor nicht fähig ist zur Selbstreflexion.
Das gilt auch für Dich – lieber Frank.

Erster Kommentar über Lübberdings reflektionen heute auf Schirrmachers Artikel
http://www.weissgarnix.de/2011/07/28/strukturschaden-der-offentlichkeit/#more-20926

Die beiden interessanten und scharfsinnigen Artikel von Lübberding und Schirrmacher handeln von Überforderung der Menschen im Diskurs. Sie wissen nicht mehr, was sie von was halten sollen und wie sich das auswirkt, ein Wegducken vor dem Zeitgeschehen. Der Mahlstrom der Meinungsmacher (hier Bildzeitung ebfs. heute mit Gabriel vs. Sarrazin) , vermeintlichen öffentlichen Meinung, Einschaltquoten gegen Ethik, Moral und Vernunft läßt die Menschen in eine endlose Abwägung der richtigen Entscheidung fallen.

Wir kommen an einen Punkt an dem die diskursive Struktur der gebildeten Gesellschaft implodiert in Solipsismen: Jeder kennt das theoretische Niveau, niemand mehr das Fleisch, die Materie, den Staub, die Erde, das was es als Gegeben anzuerkennen gilt, weil es eben da ist.
Das ganze Internet ist eine Etablierung einer virtuellen Welt, die übernommen wird von Denkern die nurmehr sich selbst denken, so auch hier: der Kommentator streitet den anderen Selbstreflexion ab.
Selbstreflexion, Wahrnehmung, Perspektiven, Theorie: Das alles hatte vor der virtuellen Realität eine Anbindung an die Materie, ja zugegeben in Maßen. Bereits einer der ersten Theorienstreite über die Objektivität (Max Weber etc.) bildet ja die Suche nach common sense, nach Verständigungsebenen ab, angesichts der überladenen Behauptung von Berechtigung eigener Wahrnehmung einerseits und der Erkenntnis der Fruchtbarkeit individueller Wahrnehmung andererseits.
Das Internet bietet den Spielplatz für Leute auf LSD: linguistic social disorder, mal sehen ob der Weg weitergeht, und der Spielplatz sich emanzipiert, so reel wird, daß wir uns dieser Realität beugen müssen. (Augmented Reality ist ja nichts anderes als der Hegemonieanspruch von ein paar Leuten, ihre Ideen als verbindlich durchzusetzen. Ich denke da immer an Franz Josef Strauss, der mit dem Rhein-Main-Donau-Kanal ebenfalls eine Infrastruktur durchsetzte, die außer denen, die sie bauten, niemand braucht(e): nur für ihn und seine Klasse war die hegemoniale Durchsetzung von Interessen selbstverständlich und akzeptiert.)