ungewisse Zukunft

Ästhetik und Kontingenz

Für die meisten Menschen stellt sich die Frage nicht, wo und wie Sie leben wollen. Am Anfang der selbstbestimmten  Zeit, nach der Schule, steht meist nicht die Selbstbestimmung, sondern die ökonomische Erwägung, was man sich leisten kann, wenn man eine Wahl des weiteren Ausbildungswegs hat oder wen man bitten kann, in seine weitere Ausbildung zu investieren, wenn man in die Lehre gehen muß.

Danach richtet sich die Wahl des zukünftigen Ortes nicht viel mehr als früher danach, ob man sich überhaupt leisten kann für die Ausbildung seine Heimat zu verlassen. Die vorgestellten Möglichkeiten schrumpfen da auch schnell zusammen nach den ökonomischen Gegebenheiten und dem Katalog der Zentralstelle für Studienvergabe. (Um das zu kaschieren, heißt es jetzt hochschulstart.de)

Die Frage, wo es schön ist, tritt nach dem Eintritt in die Abwägungsphase schnell in den Hintergrund und geht in Klausur bis zur Entscheidung über das nächste Urlaubsziel.

Der Schädel, das Kreuz und das Grün haben etwas, das unabdingbar ist. Glaube, Tod und Natur geben den Rat, daß man sich doch immer richten muß nach der Frucht, die nur die Arbeit bringt und nach den Umständen, gleich ob natürlich oder gemacht, die einem den Weg weisen. Das ist weder Fatalismus, noch Konservatismus.

Sondern Realismus. Einerseits.

Andererseits ist auch das immer nur eine der Perspektiven und Andere fällen ihr Urteil stärker nach der Bedeutung der Ästhetik.

In der Zurichtung der Welt nach der eigenen Vorstellung liegt einer der Schlüssel für die Traditionen und Neuerungen, aus der sich Wohlstand und Wachstum entwickeln. Vielmehr als es den ersten Anschein hat, wirkt sich ein schöner Stoff für die Tracht, der Garten vor dem Haus oder die sachkundige Pflege des Rebstocks auf den Wohlstand der Gesellschaft aus.

Trotzdem können wir nicht, wie wir wollen. Selbst wenn es uns vernünftig erscheinen will. Es muß schon passen. Die Umstände müssen den Raum lassen für Ideen und die materielle Möglichkeit für die Umsetzung. Nicht jede weingeborene Idee lässt sich verwirklichen.

Und hier, in fehlender Offenheit und verbauten Möglichkeiten, liegt eine Lähmung, die gefährlich ist für die weitere Entwicklung.Den Ideen kann der Raum nicht nur durch Repression genommen werden, sondern auch durch Monopolismus.

Und am hinteren Ende, der Umsetzung der Idee, braucht es vor allem ein Steuerrecht und Abgabenrecht, das nicht jeden kleinen Erfolg auffrißt.  Niemandem, der sich nicht ohnehin bereits in den Fängen des Zuwendungsmaschinerie des Sozialstaats befindet, ist zu raten, eine Idee zu verwirklichen. Fördermöglichkeiten suchen, Finanzierungsfragen studieren und die steuerliche Umsetzung zu lernen, ist nicht förderlich für Kreativität und Kleinunternehmungen.

Da löst sich die Frage, wo man  leben möchte sehr schnell auf in unklare Schemen von Ästhetik und Möglichkeiten, Bedürfnissen und Zwängen.

Berliner Ästhetik

Die U-Bahn-Wagen in Berlin sind großteils mit einem Sitzbezug versehen, der nicht nur den Schmierern von Schmierereien die Lust nimmt, ihre Tags oder sonstwas dort zu setzen, sondern auch gleich manchen Fahrgast das Setzen überhaupt.

Was dazu geführt hat, daß die Scheiben der Wagons mit geeigneten Mitteln verkratzt wurden. Nachvollziehbar in der Logik, sollte man glauben. Darauf hin haben die Verkehrsbetriebe die Scheiben beklebt mit verdrehten kleinen Brandenburger Törchen.

Eine Eskalation des schlechten Geschmacks, orientiert an der Frage, wie Verwüstung möglichst einzudämmen und Schäden im Rahmen zu halten sind.

Da ist keine Idee von lebenswertem Raum.

Irgendwo hat es eine Ladung giftfroschgrüner Parkbänke gegeben, die vermutlich aus dem U-Bahn-Projekt übrig geblieben sind und nun behutsam in den öffentlichen Raum entlassen werden.

Erst eine über Nacht zum Test.

Dann, nachdem das Überleben ohne Graffiti und Edding festgestellt wurde, eine ganze Horde. Ein Erfolg.

Das ganze färbt ab.

Weltstadt! Modestadt! Geschmack? Modebewußtsein?

Das alles hat Tradition.

Letzthin, in der Pause zu Luisa Miller, in der Deutschen Oper, standen an den reservierten Stehtischen ein Ehepaar älteren Semesters, Zehlendorf, sehr gepflegt, Blond toupierte Haare sie, grauer, leicht glänzender Anzug er und aßen Wiener Würstchen mit Kartoffelsalat Berliner Art (natürlich Mayonnaise) und kleines Bierchen dazu. Ein hoch sympathisches Bild, das man unwillkürlich ins Herz schließen muß, so artig, zart und genügsam wie beide da standen.

Aber es bleibt doch ein etwas unfröhlicher und bedrückter Nachgeschmack der Bescheidenheit in ästhetischen und kulinarischen Dingen.