Was bitte ist Psychoanalytische Kulturwissenschaft?

Die Kulturwissenschaften diskreditieren sich selbst. Während der Begriff nach traditionellem Verständnis leicht 4 oder 5 selbständige  geisteswissenschaftliche Fächer (Geschichte, Philosophie, Soziologie, Anthropologie, Kunstgeschichte, jeweils mit „Kultur-“ vorweg) umfasst, wird Profil und Inhalt durch die Masterstudiengänge noch weiter verkürzt.

Jetzt kommt über HSozuKult ein Werben für eine Zusatzausbildung in Richtung Psychoanalyse und Kulturwissenschaft. Da muß man sich fragen, ob überhaupt ein Wille zur objektiven Analyse der Kultur von einer Kulturwissenschaft noch ausgeht.

Ich gebe zu, die Psychoanalyse nicht für eine Wissenschaft zu halten. Ich muß immer an Nabokovs Abneigung und seinen Pnin denken, wie er mit seiner Ex hadert. Ein Fach, das sich ständig dahin versichert, daß die eigenen grundlegenden Theorien und Überzeugungen vollständig überholt sind und die Basis des Fachs zum Großteil aus selbsterfahrender Introspektion besteht, sollte – jedenfalls von einem geisteswissenschaftlichen Fach – so wie andere Fächer, Denkweisen und Ideen auch doch eher als Untersuchungsobjekt denn als Erkenntnismethode betrachtet werden. (Selbstverständlich tut das meinem Respekt vor der praktischen Arbeit der Analytiker keinen Abbruch. Innerhalb der Profession werden schon Heilungserfolge zu erzielen sein. Aber es sollte Verständnis dafür bestehen, daß man keinen Automobilbauer nach analytischen Werkzeugen zur Geschichte und Zukunft des Individualverkehrs befragt oder einen Geschäftsführer eines Pharmakonzerns zur Anaylse des nächsten Kondratieff-Zyklus.)

Es dürfte oder sollte die gestalterische Rolle der Psychoanalyse für das 20. Jahrhundert bekannt sein. Die hochgradig aktive Rolle der Psychoanalyse in der Gestaltung der Lebenswelt, ihr Einfluß auf die Wandlung von Wahrnehmung und Denkarten ist jedenfalls ihr selbst bewußt. So nimmt etwa Angelika Ramshorn-Privitera in Psychologie heute exemplarisch Stellung:

„… die Entstehung unserer Zeit, der Moderne, ist mit der Herauslösung des Menschen aus seiner traditionell-religiösen Verwurzelung einhergegangen und hat ein Menschenbild hervorgebracht, das von Individualität und Selbstbestimmung geprägt ist. An die Stelle der Zwiesprache des Menschenkindes mit seinem Gott ist die Selbstreflexion des autonomen Individuums getreten, und es ist das Prinzip der individuellen Subjektivität, das dem Zusammenleben der Menschen nunmehr zugrunde liegt.“

In der Selbstbeschreibung der Ausschreibung „findet kulturwissenschaftliche Forschung mit psychoanalytischen Wissens- und Selbsterfahrungsformen“ statt. Ich bin an sich sehr für die Öffnung von Perspektiven, von eingefahrenen Wissenschaftstehorien und -mustern. Aber hier scheint mir zwischen der Kulturwissenschaft als einer Betrachtung eines Teils dessen, was man als Gesellschaft bezeichnet und der Introspektion, der Selbsterfahrung schlicht ein Kategorienfehler zwischen liegen. Beides dürfte einander ausschließen.

Von einer Kulturwissenschaft, die diesen Namen verdient hat, sollte man doch eher die Auseinandersetzung mit der Rolle der Psychoanalyse im 20. Jh. erwarten. Andernfalls könnte man sich vielleicht auch wieder der Scholastik als berufsbegleitendes Studium der Kulturwissenschaft annehmen.

Aber vermutlich ist die Kulturwissenschaft längst nicht mehr das, was die Geisteswissenschaft darunter verstand. Und die Frage nach einem Erkenntnisgewinn überholt. Dann hätte die Postmoderne, ein anderes überholtes Forschungsdesign, sich wie die Psychoanalyse in diesen Punkten durchgesetzt: Behauptung, Beliebigkeit, fehlende Nachprüfbarkeit und Unhintergehbarkeit?

Absahner, Ideologe

>> Es gibt nicht viele Menschen, die sich leisten, was ich mir leiste: Sie sagen nicht auf der einen Seite: „Ich nehme alles Geld mit, das ich kriege“, und auf der anderen gebärden sie sich als blöder, querulatorischer Anarchist. Ich habe mit diesem ideologischen Widerspruch, der kein dialektischer ist, nicht einmal ein Problem. <<

Doch, es gibt eine ganze Menge davon, eigentlich ist das eine weit verbreitete Haltung. Absahnen was geht und sich dabei als individueller Outlaw fühlen, das ist die klassische Rechtfertigung des Egoisten, der wohl irgendwie die Unvereinbarkeit der moralischen mit den materiellen, auch nachhaltigen Ansprüchen der Gesellschaft ahnt, sich darum aber nicht schert oder schlicht nicht die Energie oder das Vermögen hat, solche Widersprüche aufzulösen oder auszuhalten.

Inhaltslose Gesten brauchen zunehmend drastische Darstellung. So bildet sich Hilflosigkeit in der Erklärung der Welt ab. Die Verwahrlosung und Redundanz des Provokativen als Leere Hülle scheint damit zu tun zu haben, daß die Untauglichkeit und Unzulänglichkeit der ideologischen Ansprüche erahnt werden.

Derart waren meine nächsten Gedanken auf den ersten Seiten des Interviews mit Castorf im Cicero aus dem das Eingangszitat stammt. Aber je mehr man weiterliest, umso schlimmer wird es. Trostlos, perspektivlos, gedankenarm. Ein armes von den eigenen Illussionen geschlachtetes Tier, das, sich im Kreis drehend, wild um sich beißt und wie ein Junkie die nächste Dosis steigert. Berlin.

Peinlich für einen Theatermann, auf diese Weise selbstgerecht und blind zu sein, die Grundhaltung unserer Gesellschaft für sich als heroisches Außenseitertum zu beanspruchen. Nicht Occupy Wall-Street, sondern Occupy Wall-Street-Attitude.

Und dann noch diese ekel-gefallsüchtige Faschismus-Selbstbeschreibung. L.v. Trier oder Zizek, Künstler oder Intellekutelle die durch und ausgelaugt sind, brauchen wohl das Suhlen in einer Ästhetisierung des Faschismus und des Unmenschlichen in den Ditkaturen allgemein. Da passt Wagner ungemein gut.

Bayreuth wird sicher lustig.