Kinder stören Kaffe, Karriere und Kultur

Ich kann es nicht mehr hören.
Seit ich ein Kind hab, so das Gegreine und Gewinsle der Mütter meist, auch von Vätern, ist man nicht mehr Herr seiner selbst, kann nicht mehr in Ruhe Kaffe trinken, Karriere machen und Kultur in jeder Hinsicht genießen. Die Brüste fangen zum Hängen an, wegen des Kindes, die Hosen sind bekleckert wegen des Kindes, es gilt morgens aufzustehen, nachts einzuschlafen, tagsüber zu schaffen, was der Tag einem vorgibt und einkaufen muss man auch noch gehen, wegen des Kindes. Ich versteh das schon, dass es so eine Art von Frustventil geben muss. Nun, es geht auch etwas anders.

Aber liebes Kind, mein liebes Kind.

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Ich war und bin keiner der Väter, der seine Frau zu Hause die doppelte Arbeit hat machen lassen, habe kein Interesse an Karriere (für die Du, wird es gleich raunen, so eh nicht geeignet bist) und bin deswegen nicht erfolgreich. Und wer diesen Satz larmoyant findet, erinnert mich an Götz v.B. und kann mir den Schuh ausblasen. Ich hatte einen Umsatz, von dem andere träumen. Ich war zwei Stunden früher auf Arbeit, weil ich Dich in die Schule gebracht habe und nachmittags war ich da, wenn Du nach Hause kamst. Und wenn ich Dich ins Bett gebracht habe, hab ich mich meistens nochmal an den Schreibtisch gesetzt, geschrieben, gearbeitet oder einen Kuchen gebacken für den nächsten Morgen, weitergemacht. Ich habe auf dem Heimweg eingekauft und habe dafür meinen Heimweg eben geändert, damit das passt. Und ich habe oft geflucht und das Fahrrad überladen. Der Weg ging dann nicht mehr übers Café oder die Bar Bibliothek. Auch so habe ich dann morgens oft genug zu viel gehabt.

DSCF5428 - Arbeitskopie 3Ich bin jeden Dienstag nachmittag mit Dir zum Klavierunterricht gefahren und habe vor den Türen gewartet und Zeitung gelesen oder eine Akte. Manchmal hat dann tatsächlich mal einer der Lehrer selbst geübt und so gab´s ein Freikonzert. Du kannst jetzt nicht Klavier spielen, aber wir hatten nicht nur schöne Abende davon, sondern auch ein wenig mehr Verständnis von den Schwierigkeiten des Lebens und der Schönheit der Musik.
Wir haben so einen ziemlichen Packen an lustiger und schöner Kinderliteratur zusammen gelesen und es genossen und wenn ich letztlich die schöne Studie von Julia Voss über Jim Knopf gelesen habe, weiß ich worüber ich mit Dir reden kann.

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Was für eine schöne Zeit wir hatten. Wir haben im Auto nach Italien 8 Stunden Homer gehört und waren danach vollkommen fertig und am Lago Maggiore.

Wir sind zusammen geschwommen im See und nur einer dieser blitzenden Sommersonnentage an der Krummen Lanke entschädigt mich für Berlin und die Hälfte der Streitereien, weil da jemand die Befürchtung hatte, ihre Identität stülpe sich gerade in ein Kinderzimmer oder glaubte, sich nicht genügend entfalten zu können, kaffe-, bar- und karrieremäßig also.
Wir hatten so einige nachmittage und ja, ich hatte immer wenig Zeit.

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Jetzt darf ich Dich, Kind, wieder in den Kindergarten fahren. Ich darf Dich in den Himmel schaukeln (und ja, da fehlt mir auch oft Begeisterung und Geduld).
Ich darf Dir zuhören beim Liedersingen, beim Konstruieren der Welt und Repetieren unserer Kultur, die man so wunderbar erkennt durch Euch, Kinder. Ich darf mich wieder wundern, wie Du springst, auf eine vertraute Art die dir niemand vormacht und wie du uns nachahmst in Gesten und Seufzern oder wie du unsere Gesichter übst. Wie ihr unsere Gesichter übt, ist ein Wahnsinn. Gesichter mit Kindern machen, ist einfach irre. Wie ihr redet und wie empathisch ihr seid.
Ich darf sinnvolle Gespräche voll Energie, Interesse und Wissensdurst führen, ohne Panik auszulösen, eine Identität zu stören oder ein Konkurrent zu sein.

Ich lerne selten so viel wie durch Euch. Danke, streß mich, vergraul meine Freunde, raub mir den Schlaf, zerkratz meine Schallplattensammlung und schütte meinen Whiskey aus.

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I can´t help it. Ich mag´s so.

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