Vor 25 Jahren war es für einige wenige von uns Ehrensache, in der Biologie Stellung zu nehmen für die Verhaltensforschung, den Behaviorismus und damit gegen jede Art von Zuschreibung, die uns im goldenen Westen nur Wege verbaute und die wir für ein gutes Mittel gegen Rassimus, Ungleichheit und Atomkraft hielten. Der Behaviorismus und die damit zusammenhängende Milieutheorie waren gleichbedeutend mit sozialer Verantwortung, Gleichberechtigung und den offenen Möglichkeiten, die uns als jungen Abiturienten offen standen. Da konnte man weder genetische Veranlagung, noch sonst eine Reduktion auf die Tiefen des Lebens akzeptieren, wussten wir doch im Grunde unseres Herzens, aus der Geschichte des Nationalsozialismus und von den ortsansässigen CSU-Mitgliedern, dass die Behauptung einer schicksalshaften Festschreibung unser aller Lebenswege, unseres Verhaltens und sozialen Stellung nichts weiter sind als soziale Distinktionsmerkmale. (Letzeres Erklärungsmodell hat uns allerdings erst später das Studium nicht erspart.) Es musste hoch hinaus gehen können.
Die is hald so, der ihr Vadder wor scho so und die wird a so schterbn. Diese und ähnliche Zuschreibungen waren immer schon böse Kulturtechniken und meist auch in diesem Dukuts vorgebracht. Man sollte wissen, wies läuft und wer das bestimmt. Dem Strauß, Franz Josef muss man in dieser Hinsicht dankbar sein, keinen Zweifel daran gelassen zu haben, dass letztlich nicht zählt, was die Natur so vorzubringen hat, sondern wie es der herrschenden Klasse gefällt, diese Hervorbringungen zu würdigen. Und wer die herrschende Klasse unter FJS personifizierte, das kann unter den parodistischsten Ausblähungen der persönlichen Hybris der derzeitige Alleinstellungsanspruch von Seehofer nur klischieren, gewissermaßen.
Wie auch immer waren wir nicht in der Lage die in allerkatholischstem Dogmatismus feinsinnig geschulte Doppelbödigkeit Straußens damals zu erkennen, sonst hätten wir sofort dem Behaviorismus als einbödig abgeschworen und auf die Natur vertraut, die uns doch alle gleich mit einem Reservoir Sünden und Unzulänglichkeiten eingedeckt hat, was man als junger Mensch eben noch nicht so wahrhaben will, ebensowenig wie wir die andere Seite unserer Menschlichkeit und gewisse biologische Nöte zu dieser Zeit eben noch nicht erkannt hatten, woran wiederum die große Zahl ländlicher Brauerein einen nicht unerheblichen Anteil hatte, vermute ich, wenn auch Andere von ähnlichen Erfahrungen in minder gesegneten Landschaften notgedrungen mit Großbrauereien berichten. (Honi soit, qui milieu y pense)
B. F. Skinner als Vertreter des Behaviorismus kannten wir also aus dem Biologieunterricht. Besser wäre das also gewesen, wir hätten ihn in kritischer Theologie (die vermutlich wegen unserer Anti-FJS-Buttons nicht in den Lehrplan aufgenommen wurde, oder wegen der Anti-Pershing-Demos), Deutsch oder Geschichte kennengelernt. Lange war er dann verschütt gegangen unter einem Wust an Ausdifferenzierungen, Chaostheorie in den Naturwissenschaften, dem Einfluß der Naturwissenschaft auf die Geisteswissenschaften usw usf., aber präsent waren diese Erfahrungen immer und wesentlich und reflexartig bedient, sobald es darum ging, intuitiv zu entscheiden, ob und vor allem wie ein Verhalten sanktioniert werden sollte oder, ob jemand Hilfe brauchte. Mit dem Behaviorimus war immer der Maßstab anzulegen, dass es nicht die Anlage des Menschen war, die sich Ausdruck verschaffte, sondern die Erziehung, das Milieu etc. pp., also auch alles anders sein konnte, geändert werden konnte und irgendwer dafür verantwortlich war, die Gesellschaft oder, wenn das nicht klappte letztlich der Einzelne. Je älter und erfahrener man wird, umso weniger wusste man die Gesellschaft nicht pauschal für alle Übel verantwortlich und es blieb der Einzelne nackt in dem Mist stehen, den er gebaut hatte. Sollte der sich doch anstrengen, da wieder rauszukommen. Hat es ja auch verbockt.
Wieder begegnet ist mir Skinner dann in Schirrmachers EGO. Ein Buch, das hoffentlich nicht untergeht ohne die mediale Aufmerksamkeit, die sein Autor in der Lage war zu erschaffen. Es stecken zu viele lohnenswerte Beschreibungen und Ansätze in diesem Buch, wenn auch teilweise so zerfasert, wie der Strang der Realität, den es aufgreift. Das ist kein Teflonseil, an dem sich der Autor entlanghangelt, sondern eine Liane wie eine neunschwänzige Peitsche gespickt mit Scherben und Nägeln. Es lohnt sich, den Weg mitzugehen.
Zuletzt taucht Skinner dann wieder auf bei Adam Curtis und einem lesenswerten Artikel über die Ziele und Herrschaftform der Kurden (via Fefe) in den Autonomiegebieten. In diesem Artikel wird Skinner (im Gegensatz zu Murray Bookchin) als ein Vorreiter der paternalistisch gelenkten Demokratie beschrieben:
.. B.F. Skinner. He outlines a new way of controlling and ordering people. It is no longer possible, he says, to tell people what to do. In an age of individualism and mass democracy people won’t accept that any longer. Instead you reward them for behaving in the ways you want them to.
Distinktion und Macht, Manipulation und Interpretationsgewalt. Erklärungsmodelle, die sich durchsetzen, also zeitweilig jedenfalls zu bestimmenden Interpretationen und Leitideen werden, sind immer vielschichtig und schlagen Volten. Da ist selten das drin, was draufsteht.

