Gegrüsst seist Du,
voll der Gnade,
der Herr ist mit dir.
Du bist als das ganz reine von Ewigkeit her kostbare Gefäss auserwählt,
damit Du Gott in Dir empfangest.
Du hast Gnade gefunden vor Gott. Siehe, du wirst einen Sohn gebaren und Ihn Jesus nennen.
Er wird die Völker retten …
Ich bin nicht gläubig, aber die Dimension der Befriedung der Völker als Forderung in der christlichen Erzählung drängt sich auf. Das jährliche Fest in Santa Maria delle Grazie bei Mantua, errichtet ab 1399, und das Kircheninnere läßt einen Spalt in unsere eigene Geschichte offen und man sieht dort Grausamkeiten sich ausbreiten.
Köpfe abzuschneiden ist so eine Horrorvorstellung, die an die Urgründe unserer Zivilisationsbewegung heranreicht. Die Hinrichtung des US-Journalisten James Foley als Propagandamittel sollte eben das bewußt machen, indem der Akt auf die denkbar brutalste, direkteste Art ausgeführt wurde, ohne nennenswerte technische Hilfsmittel, auch ohne die professionelle Distanz eines Schwertes oder Beils, sondern mit der mühevollen kleinteiligen Arbeit eines Schlachters mit dem Messer. Hier soll sich auf die widerwärtigste Art eine Anbindung an irgendeine Natur des Menschen, eine von allen zivilisatorischen Mänteln befreite Existenz aus Glaube, Leben, Blut und Tod finden. Die Gedanken dieser Menschen als in ihrer eigenen Vorstellung in völliger Reinheit zu bezeichnen wird wohl ebenso wenig spekulativ sein, als die Gewißheit, dass eigene Zweifel an den eigenen Gedanken als etwas zwangsläufig auch möglich Falschem dort nicht existieren.
Die Eiferer fürchten kaum etwas mehr als den Zweifel und der Zug der modernen (westlichen) Kultur, sich durch die Akzeptanz von kontingenten Wahrheiten, alternativen Verläufen angreifbar zu machen, dadurch aber auch schwer greifbar zu machen, ist allen Angriffen auf die Moderne seit dem nationalsozialistischen Kampf gegen „den Westen“ gemeinsam.

Die Eskalation der Gewalt im Zweistromland hat Alles, um an der Welt zu verzweifeln; sie hat aber als Voraussetzung auch Alles das nicht mehr, was unsere Zivilisation nicht nur von der Idee her als echte Alternative zu direkter Gewalt und Herrschaft durch Macht auszeichnet.
Am Anfang der Eskalation – das darf dabei auch wenn es derzeit müßig sein mag nicht vergessen werden – stand der Verzicht auf Humanität, Rücksichtnahme und Anstand durch den Irakkrieg von Präsident Bush. Es wird niemals ein auf Lüge und Habgier aufgebautes Konstrukt einen positiven Effekt ausüben, auch wenn noch soviel Propaganda von den besten Werbefirmen entworfen wird und die Geldscheine pallettenweise eingeflogen werden. Das mag pathetisch klingen, ist es aber nicht. Eine der Lehren dieses Krieges ist (wieder einmal), dass sich die Motive niemals verschleiern lassen und es hochmütig ist, dies anzunehmen. Das allein bewirkt ausreichend Destabilisierung der betroffenen Gesellschaften und Menschen: weil sie jede Hoffnung an die Versprechungen der Moderne und des angeblichen Humanismus des Westens aufgeben müssen als Idee. Wo jeder Glaube naiv und tödlich ist, leben die Eiferer und Extremisten auf.
Und daher ist zu befürchten, dass wir wieder von ganz unten anfangen müssen. Mit Gottesfrieden und Landfrieden. Aufbau einer ansatzweisen Vergesellschaftung, mit Martyrien und Fürbitten, um diese dann irgendwann überwinden zu können. In Europa vergingen allein von den Gottesfrieden bis zu den ersten institutionellen Einrichtungen, die den Anfang der Einhegung herrschaftlicher Willkür setzen, so um die 500 Jahre. Und dann erst kamen die Glaubenskriege, die Bauernaufstände und die Verteilungskriege.

