Schlichtes Recht – schlechtes Recht. Anm. zu Google EuGH uW

Es ist ein Kreuz im Moment, was die Vorgänge um unsere Demokratie und Rechtsstaatlichkeit angeht. Es ist zu viel im Gange, was offensichtlich nicht rund, systemwidrig läuft, dabei aber medial niemals die Spitzen erreicht, echte, umfassende Empörung auszulösen.

An erster Stelle steht natürlich die Auflösung der Grundrechte. Informationelle Selbstbestimmung und Meinungsfreiheit in Art 5, auch die Handlungsfreiheit ist direkt durch die Eingriffe in die Infrastruktur der Kommunikationsmittel Post, Telefon und Internet massiv beeinrächtigt. Vielmehr noch sind die Grundrechte beeinträchtigt durch das Desinteresse der Volksvertreter an den Eingriffen. Anstatt die Grundrechte zu sichern, die Daten und die Kommunikationswege der Bürger zu schützen wird über weitere Programme der Überwachung verhandelt. Absurd. Damit erodiert das Vertrauen in Demokratie und Rechtsstaat. Der Bürger (aus diesem Grund bevorzuge ich den Begriff auch) ist sich seiner Rolle in der Zivilgesellschaft schon bewußt, wenn es darauf ankommt. Er will da auch ernst genommen werden. Man muss nicht immer mit der Flagge bei Fuß stehen. Wenn er aber nicht mehr ernst genommen wird und zuviel Fehler in den Entscheidungbegründungen staatlichen Handelns auffallen, dann mag er nicht mehr und verliert die Lust am Spiel.

Ein weiteres Beispiel ist wiederum der Umgang mit Google. Im Hintergrund stehen mehrere Denkfehler, zuvorderst der Wahn, Grundrechte wegen der Förderung der Internet-Wirtschaft einschränken zu können oder zu müssen.

Der EuGH hat bekanntlich Google die Verknüpfung / Verlinkung von Inhalten im Internet untersagt, wenn sich der Betroffene dagegen wehrt. Ich halte das für richtig, aber es gibt auch nachvollziehbare Gegenargumente.

Das soll nicht das Problem sein.

Die Bundesregierung reagiert, indem eine Schlichtungsstelle eingerichtet werden soll, vor der der Verbraucher mit Google seine Datenspuren verhandeln kann. Die genauen Vorstellungen sind unbekannt. Nicht aber, dass die Stelle von Staatsekretär im Inneren Ole Schröder eingerichtet werden soll.

Es stellen sich kurze Fragen an Zuständigkeiten und Verfahrensregeln, die wiederum die Rechtsstaatlichkeit betreffen.

1. Zuständigkeit des Innenministeriums?
Der EuGH stellt die Rechtswidrigkeit eines Verhaltens fest. Damit muss man sich nunmal auseinadersetzen. Zuständig für ein Verfahren wegen Verletung von Rechtsansprüchen ist ohne Zweifel der Justizminister. Vielleicht könnte man noch an das Verbraucherschutzministerium denken. Weshalb sollte hier das Innenministerium tätig werden? Primäre Aufgabe des Innenministeriums ist Sicherheit, öffentliche Verwaltung und Informationstechnik und -sicherheit. Das provoziert geradezu lustige Verschwörungstheorien, wonach google, NSA und dem Innenministerium eine Einheit innerer Belange der Bundesregierung bilden, ergo Zuständigkeit. Spaß beiseite. Der Datenschutz wird als ein Problem der Informationstechnik und -sicherheit gesehen, nicht als Schutz der Daten des Bürgers. Die Perspektive der Macht ist gegenwärtig eine Perspektive der Durchsetzbarkeit, der Regierbarkeit. Ökonomie und Technik als einzige Perspektive.

2. Schlichtung
Das Schlichtungswesen hat sich im Wesentlichen als außergerichtliche Streitbeilegung zwischen Interessenverbänden und deren Mitgliedern (Versicherung – Versichertem) oder Berufsvertretern und Vertragspartnern in Haftungsfragen (Arzt-Patient, Rechtsanwalt-Mandant). Es geht dabei u.a. um überkommene Pfründe, zum Teil um nötiges Fachwissen und Selbstorganisation der Berufsstände.
Die seit längerem aufkommenden Schlichtungsverfahren, wie die um internationale Handelsstreitigkeiten / Investitionsschutz, haben eher die Auflösung der Rechtsstaatlichkeit, der Gewaltenteilung zu tun. Offensichtlich ist, dass Einflußsphären meist wirtschaftlicher Interessengruppen vor den strikten Prinzipien der Judikative (Öffentlichkeit, Mündlichkeit etc.) bewahrt werden sollen. Ein wesentlicher Teil der Schlichtungsverfahren ist jedenfalls die Vermeidung einer Bindung der gesetzliche Vorgaben und die meist nichtöffentlichen Verhandlungen. Es ist halt ein Gemauschel.

Ole Schröder wird mehrfach aus einem Interview mit dem Handelsblatt zitiert: es müsse verhindert werden, dass Suchmaschinen beim Löschen von Meinungen und Informationen willkürlich vorgehen.

Weshalb also keinen gesetzlichen Rahmen schaffen? Google zeigt bereits, dass es seine Markmacht auch bei den Formalien der Läschungsanträge und die Spielregeln selbst durchsetzen will: Zunächst war sogar eine Kopie des Personalausweises für die Anträge erforderlich.

Für den Versuch ein außergerichtliches Verfahren zu etablieren, steht das seit langem gegen gesetzliche Rahmenbedingunen ins Feld geführte Motiv und die Befürchtung der angeblichen Behinderung des Internet-Business. Weshalb also das Innenministerium? Weil die FDP nicht mehr in der Regierung sitzt?

Was auch immer die Hintergründe und die Motive sind, es hat offensichtlich nichts mit den Interessen und den Rechten der Bürger zu tun. Das ist das irritierend beständige an all den Entscheidungen und Meldungen der letzten Monate. Die Grundrechte sind offensichtlich nicht mehr der Ausgangspunkt der administriellen Entscheidungen. Die Regierung nimmt ihre Primäraufgaben, Schutz und Vertretung Interessen der Bürger nicht mehr wahr. Das zerstört Vertrauen und ohne Vertrauen ist die Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Gewaltmonopol des Staates nichts mehr wert.

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