Blind und borniert

BigData läßt einen nicht mehr los. Da kann man machen, was man will.

Wie blind und borniert man dem Thema gegenüber sein kann, zeigt uns Patrick Bernau, der einen weitgehend ärgerlichen Kommentar schreibt, natürlich in der FAZ, weil er da angestellt ist und die sich in der Wirtschaftsredaktion solche ökonomischen Engstirnigkeiten noch leisten mag – was muss es dort für redaktionelle Grabenkämpfe geben.

Dankbar muss man sein für die idealtypische Argumentation, in der der ökonomischen Rentabilität alles geopfert wird.

I. Zu den Tatsachen

1. Datenerhebung hat es bereits seit den Anfängen der Statistik gegeben, durchaus mit kontrovers diskutierten Nutzen, Forschungsdesigns und Auswertungsmethoden. Wer wollte bezweifeln, dass die Medizin zum Beispiel hieraus Nutzen geschlagen hat. Es sind aber auch andere, sowohl fehlgeschlagene als auch ignorierte Befunde solcher Datenerhebungen bekannt. Die Soziologie arbeitet ebenfalls seit langem mit Auswertung von Datensätzen.

Wer wollte aber bestreiten, dass es sich bei Big Data nicht nur um eine andere Qualität handelt, sondern eben auch nicht mehr um zweckgebundene und einen bestimmten Erkenntnisinteresse und auch Datenschutzrichtlinien unterworfenen Datensammlungen.

Es handelt sich um eine schlichte Verblödung und Propaganda, wenn behauptet wird, ohne die vollständige Erfassung unserer Daten wären all diese Erkenntnisse, welche unsere Medizin (zum Beispiel) so effektiv und erfahren gemacht haben, nicht möglich. Der das tun will, muss sich den Mühen der methodischen Differenzierung unterwerfen.

2. Die Heilserwartungen der Datenauswertung wird sodann mit Stauanalysen begründet. Offenbar vollkommen ironiefrei soll also der Persönlichkeit-Striptease, die Freigabe sämtlicher erhältlicher Daten an private Organisationen mit des Deutschen liebstem Kind, dem Autobahnverkehr begründet werden. Es ist erschütternd, unreflektiert und offenbar auch unmotiviert.

Die Stauanalyse ist aber ein praktisches Beispiel, dass nun eben nicht sämtliche Daten abgegriffen werden müssen. Es dürfte die Beobachtung von Anzahl, Richtung und Geschwindigkeitsveränderung der gemeldeten Einheiten (Telefone) ausreichen, jedenfalls benötigt man nicht die Kennung und Individualisierung der Geräte.

Die Optimierung des Verkehrsflusses in Geschwindigkeit, Auslastung der Straßen etc. pp. löst zudem sicher nicht dauerhaft das Problem des Individualverkehrs und der (ökonomisch unsinnigen) Vernichtung begrenzter Resourcen. Es wäre damit ökonomisch langfristig kontraproduktiv eine Technik an den Grenzbereich zu führen, anstatt zukunftsfähige Technologien aufzubauen.

3. Daten sind kein Öl.

Erdöl ist ein Rohstoff. Daten nicht. Es kann auch bisher aus Daten nichts gewonnen werden. Daten transportieren, wandeln, katalysieren den Wirtschaftsprozeß. Der muss sich nach wie vor aus andere Quellen, bisher Arbeit, Rohstoff, Dienstleistung speisen. Was sonst?

Daten sind ein Machtinstrument. Kein Rohstoff.

Daten gehören uns. Wer damit handelt, hat den Dateneigner daher der Marktwirtschaftlichen Logik nach zu bezahlen. Die Brosamen von Apps, die uns wissen lassen, dass der Mitschüler gerade Milch trinkt und der Kollege beim Kitesurfen ein Foto vom Sand gemacht hat, sind keine Bezahlung oder auch nur Entschädigung, für das, was uns genommen wird.

4. StudiVZ. Was immer der Grund für den Untergang gewesen sein mag. Es waren nicht Datenschutzrichtlinien. In Deutschland herrscht sei langem eine Priorität der Wirtschaftsinteressen vor individuellen Rechtsgutsverletzungen. Die Diffamierungen im Internet auf Portalen wie StudiVZ sind ausgesprochen schwer einer Haftung der Protalbetreiber zuzurechnen. Uärschlich ist ein klares Signal der Politik seit Jahren, hier keine Änderung der Gesetze zu veranlassen, obwohl unter Juristen Einigkeit darüber besteht, dass das Geschäftsmodell dieser Portale nur auf Diffarmierungen, Blaming und üble Nachrede aufbaut– und diese daher haftbar für Äußerungen der Nutzer gemacht werden müssten. Wer den Nutzen hat, sollte auch den Schaden regulieren.

II. Zur Argumentation

Das schöne Argument: Die Deutschen sind nicht  blöd, die Leute wissen schon, was sie tun.

Die ewige Larmoyanz, der Kritik vorzuwerfen, man halte andere für blöd. Die Bevormundungsrethorik. Ein Killerargument. Wirf den Deutschen hin, man verkaufe sie für blöd und man hat sie auf seiner Seite. ÖkoBio, Pharma, Genmais, Klimawandel. Immer kommen die Befürworter nur mit zwei Argumenten: Es befördert die Wirtschaft und die halten Euch für blöd.
(Zudem: die unausgesprochene Annahme einer Weißheit der Vielen, einer Schwarmintelligenz. Wer mag so etwas noch ernst nehmen. Der Ökonom, dem es nur auf Masse ankommt?)

Ich sage dazu. Der Bernau hält mich wohl für blöd?

Die Argumentation schleicht sich an unserer mangelhaften Kenntnis der Vorgänge ebenso vorbei wie an der Frage, wessen Nutzen gemeint ist.

Bernau kann offenbar zwischen statistischen Erhebungen und BigData keine Grenze ziehen. Ich halte das für keine intellektuelle Meisterleistung. Trotzdem: Die BigDate Industrie, der informationelle-militärische Komplex arbeitet mit massiven Unwahrheiten und gezielter Beeinflussung der Bevölkerung. Daran kann nach den Veröffentlichungen der letzten Monate nun niemand mehr Zweifel hegen. Hier geht es nicht um blöd, sondern um schlichte, dimensionale Ungleichgewichte in der Wissens- und Machverteilung. Ohne Snowden war alles Verschwörungstheorie, mit Snwoden weiß man, dass die Phantasie kaum hinreichte, um all das, was mit den Daten zum Nachteil der Dateneigner getrieben wird. Was wir noch nicht ansatzweise wissen, ist, was Google, Facebook und all die anderen noch vorhaben und wissen. Wir wissen nur, dass da einiges sein muß, was uns beunruhigen sollte.

III. Cui bono? „Daten sind das Erdöl des 21. Jahrhunderts“

Patrick Bernau ist das Kondratieff-Tief des Jahres. Daten beflügeln also unsere Wirtschaft, soll das heißen, wie das Erdöl die Entwicklung des 20. Jahrhunderts? So ein Unsinn. Die Auswirkungen werden ebenso gewaltig sein. Der Mehrwert kommt aber nicht aus den Daten, sondern wird durch die Daten neu strukturiert.

Erdöl ist ein Rohstoff. Daten nicht. s.o.

Das zwanzigste Jahrhundert war geprägt von den schlimmsten Kriegen der Menschheitsgeschichte. Das hatte auch etwas mit den immensen Umwälzungen zu tun, die sich aus der Gewinnung von Energie für Gesellschaften, Wissenschaft und Technik ergaben. Nicht mit den Mitteln der Energie wurden diese Kriege auch geführt, sondern wegen der Macht, die sie gaben und erwarten ließen.

Wir haben uns redlicherweise die Frage zu stellen, welche Macht sich aus Daten bereits ergibt und wie diese verwendet oder kontrolliert wird. Bei Bernau Fehlanzeige.

IV.

Die Leute haben keine Ahnung, was mit den Daten passiert und was das für Auswirkungen auf unsere Welt hat. Wir haben keine Ahnung, wie sich unsere Welt verändert. Alles was wir wissen, ist die Erkenntnis, dass wir den Prozeß nicht aus der Hand geben dürfen.

Die Ökonomie bleibt eine Pseudowissenschaft, solange nicht zum wenigsten der Versuch unternommen wird, Kosten-Nutzen-Analysen nicht nur in den eigenen Kategorien vorzunehmen. Der Bürger in der Zivilgesllellschaft muss der Souverän seiner selbst und ausgestattet mit unbedingter Handlungsfreiheit sein – andernfalls bricht das ganze System zusammen. Das ist der Kern der für etliche Branchen leidige Komplex der liberalen oder sozialen Marktwirtschaft in Abgrenzung zur Planwirtschaft.

Wer also behaupten möchte, die Ökonomie stelle die Weichen, soll auch so offen sein und zugeben, daß die Zivilgesellschaft damit aufgegeben wird.

Wir bewegen uns auf ein politisches System zu, das rein von administrativen Durchsetzbarkeiten und wirtschaftlichen Interessen geprägt ist. Politisch gewollt hieß das so oder so … – Sozialismus. Selbst die Argumentation mit dem neuen Menschen findet sich wieder – nur hier als unwausweichliche Entwicklung und nicht als Heilserwartung, die der Entschuldigung der Menschenrechtsverletzungen auf dem Weg zum Endziel diente.

 

Dieser Beitrag wurde unter Miscellen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.