Spargelrisotto und Urheberrecht

Kürzlich gab es wieder einen Bericht zum Urheberrecht, irgendwo, mit dem Beispiel Kochrezepte. irgendwie wollte der Autor überzeugen, daß Rezepte ja eine Art Allgemeingut wären und der Verkauf der Kochbücher rotzdem gut funktioniere. Oder war es andersherum? Es zeigte sich uach an diesem Beispiel, daß das Immaterialgüterrecht und die derzeitige Diskussion vollkommen verkorkst ist, weil hier Anforderungen an das deutsche Recht als Abbildungen von gesellschaftlichen Interessen heranggetragen wird. Und das ist dem deutschen Recht zunächst einmal fremd.

Rezepte können auch dem Urheberrecht unterliegen, wenn eine entsprechende Schöpfungshöhe bei der Gestaltung oder der Ausarbeitung des Gerichts oder der Präsentation vorliegt. Ich frage mich, wie das ist mit der Abänderung. Von Rubinstein, dessen und  Toscaninis Interpretation des dritten Klavierkonzerts von Beethoven ich  gerade höre, heißt es, er habe zu Anfang seiner Karriere aus einer Mischung aus Genialität und Faulheit bis zu 30 % der Noten unterschlagen. Ist das ein eigenes Werk durch gezielte Veränderung?

Bei Kochrezepten ist es oft ähnlich, mal fehlt einem der alte Weinstock aus dem Perigord zum sanften Beräuchern des Grillguts, mal die Haitivanille oder der Hinterschinken vom serbischen Landrauferschwein. What a mess. Wir behelfen uns also mit dem Gang zu Nachbars Kühlschrank und schlagen uns durch auf dem Weg bis zur gelungenen Einladung. So wird jedes Rezept mit abgewandelten Zutaten zuverlässig ein Plagiat eine eigene Schöpfung. Auf diese Art ist „mein“ folgendes Rezept für ein gelungenes Spargelrisotto entstanden:

Für vier Personen:

Etwa 1 Kilo Spargel schälen, in Stückchen schneiden und in Wasser mit etwas Meersalz, Saft einer halben Zitrone und jeweils einer Spur Muskatnuß und Zucker kochen. Die Spitzen aufheben. Das Wasser nicht abgießen, es wird als Fonds benötigt.

1 Liter Wasser zum kochen bringen, mit Gemüsebrühe anrühren. Die Brühe ist für den späteren Geschmack natürlich wie alles wichtig. Nutzen Sie keine Maggie etc pp mit Glutatmat oder anderen Geschmacksverstärkern. Leider sind auch die meisten Biobrühen nicht wirklich gut. Am besten ist natürlich eine selbst vorbereitete Brühe, vegetarisch, das geht leicht: eine halbierte Zwiebel, dazu was gerade im Kühlschrank ist, etwa Stückchen von Sellerie, Karotte, Fenchel und Tomate ganz leicht und langsam in Olivenöl anbräunen, dann mit Wasser angießen und mit etwas Salz würzen. Da später eine gute Menge Butter dazugegeben wird, braucht es kein Huhn oder Rind als Geschmacksträger.

Eine mittlere Zwiebel kleinschneiden (also wirklich klein, es sollten hinterher keine größeren Zwiebelstücke in der Textur unterscheidbar sein) in Olivenöl anschwitzen, den Reis dazu geben, etwa 3 bis 4 Tassen und ebenfalls kurz im Öl erwärmen. Sie sollten Vialone Nano Reis verwenden, Arborio ist mir ein wenig zu grob für den Spargel. Auf die Hitze achten weder die Zwiebel noch der Reis dürfen dabei zu heiß werden.

Mit einem guten Viertel Wein ablöschen, Pinot Grigio bietet sich an. Den Wein stark reduzieren, den Spargel dazu geben und zunächst 1/2 Liter des noch heißen Spargelfonds dazugeben. Den restlichen Spargelsud nach und nach einrühren. Fünf oder zehn Minuten nach den gekochten Spargelstückchen die Spargelköpfe dazugeben, je nachdem wie bißfest man diese möchte. Sollte noch Flüssigkeit benötigt werden, die vorbereitete Brühe verwenden. Stetig rühren bis der Reis gerade so den Biß verloren hat. Dann sollte noch genug Flüssigkeit im Topf verbleiben, daß der Reis nicht klumpt, aber auch nicht schwimmt. Vom Feuer nehmen und etwas ruhen lassen.

Jetzt kommt die Mantecatura, wir sagen aus Gründen der höheren Übereinstimmung von Klang- und Erscheinungsbild Mantschecatura: Dem Reis wird ein Haufen Butter zugegeben, gut 100 bis 150 gr. Sagen Sie es den Gästen, will es keiner essen, sagen Sie es nicht, werden Sie gelobt. Es versteht sich von selbst, daß auch hier die Zutat, das Fett weg macht: Also keine Butter, die mehr aus Wasser als aus Milch besteht. Danach etwa ebensoviel Parmesan, 100 bis 150 gr. Alles schön vermischen. Die Mantecatura ist der Zustand nach Zugeben der Butter und des Parmesan. Das Risotto soll nicht verschwimmen aber schön mantschig sein – oder appetitlicher, „Wellen“ schlagen. Das ist mir zu viel, es soll gerade nicht von selbst auf dem Teller zerlaufen. Ziel ist ein wunderbar schmelziger Zustand, in dem die Stärke des Reises mit dem Spargelsud, der Butter und dem Parmesan gebunden wird. Eine Spur Zitrone, leichte Frische vom Wein und eine erdige Note von der Muscatnuß. Fein.

So mein Rezept. Oder war es von Giorgio Locatelli? Sehen Sie nach in seinem empfehlenswerten Kochbuch. Dort auch etwas Warenkunde zum Reis. Aber erst nach dem Essen.

Dazu den Weißwein, einen kleinen, feinen Tomatensalat und ein Stück Weißbrot, Guten Appetit.

Dem Namensvetter von Giorgio, Pietro Locatelli wird nachgesagt, daß er sein virtuoses Geigenspiel vor professionellen Musikern zu verbergen suchte, damit diese ihn nicht kopieren konnten. Was hätte der wohl zu Youtube gesagt?

Dieser Beitrag wurde unter Miscellen veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.