Postprivacy

Postprivacy bräuchte zunächst einmal eine Privatheit, die man überwinden oder abschaffen könnte (wenn man das wollte).

Privatheit ist weit mehr als ein theoretisches Konzept, sondern die tatsächliche Konzeption des täglichen Leben, der sozialen Aufstellung des Bürgertums in dem Moment, in dem (und mit dem) die Emanzipation von direkten Durchgriffen vertikaler Machtverhältnisse gelang. Die Privatheit ist so betrachtet die Abkühlung, die Entropie der Macht auf dem Weg zur (ideelen) gleichmäßigen Machtverteilung. Das Alles funktioniert nicht, wenn eine Distanzierung und Etablierung des Menschen von der Masse Untertan als Citoyen oder Bürger nicht entsteht, wobei das Private dabei immer ein Gegenbegriff zum Öffentlichen, zur Arbeit, zur Zusammenarbeit, zur Dienstbarkeit ist.

Diese Privatheit als ein Merkmal der Moderne ist keineswegs selbstverständlich, weder als Konzept, noch als gelebte Realität.

Postprivacy bräuchte für sich zunächst einmal Privatheit als Realität und nicht als polemischen Kampfbegriff. Wer in Kreuzberg sein Mittagessen öffentlich macht, hat vermutlich noch nicht einmal einen Begriff davon.