Ein italienischer Wagen

Ich habe mir einen italienischen Wagen gekauft.

Die alten Herren stöhnen auf, den im Autogeschäft tätigen Bekannten schüttelt die Heiterkeit, Bekannte lehnen sich von der Bedrohung weiterer Konkurrenz im Wagenstatus befreit zurück, solange die Einstiegskante nicht nur unwesentlich über Straßenniveau liegt.

Ölverlust, beschlagende Scheiben, schlechte Versorgungslage mit Ersatzteilen, all die Urteile gehen auf, nun ja, gewisse Erfahungswerte zurück. Die stammen zwar mehrteils aus den Siebzigern und es wird gerne übersehen, daß der technische Overkill aufwendigere Probleme bereitet als ein einfaches Gelenk im Lancia. Die Spurstangen im Dreier-BMW, der Rost der C-Klasse, kein Mangel hält sich so lange wie die im Märwasser vor Neapel rostenden Bleche der Alfetta.

Mittlerweile ist die Stimmung weitgehend  entkrampft. Was nicht zuletzt daran liegen mag, daß die Gebrauchtwagenpreise von deutschen Wagen in der Regel so außer Relation zum Nutzwert stehen, daß ein Beharren auf alten Vorurteilen noch dem Letzten peinlich werden sollte. Mein Lancia hat damals im direkten Vergleich weniger als die Hälfte eines BMW oder Mercedes gekostet.

Mehr noch wird der Liebhaberwert und die klassische Form anerkannt. Die zehnte elektronische Fahrunterstützung reduziert den Glauben an die Heilserwartung durch Technik  jenseits von Auto-Bild und Adac-Motorwelt dann doch. Die fehlenden Ersatzteile simpelster Art werden also, wenn auch kopfschüttelnd und mit Notlösungen geduldet. So wenn der defekte Fensterheberknopf zum Austausch der gesamten Steuereinheit für rund 250,00 € führen würde – wie bei anderen Nationalgefährten auch.

Aber.

Jetzt im Alter von 12 Jahren fallen zunehmend einfache Funktionen des Radios aus. Aha, die Elektrik und die Italiener. Außen hui, innen pfui. Das Teil (ICS genannt, wofür auch immer das Akronym stehen mag) steuert den CD-Spieler nicht mehr, die Loudness-Funktion geht nicht mehr auszuschalten, die vorderen Lautsprecher werden nicht mehr bedient und so geht es fort. Ein Hardware-Fehler liegt offensichtlich nicht vor.

Das ist ärgerlich. Ein Vorteil des Wagens ist die italienische Noblesse nebst ausgezeichneter audieller Versorgung der Boseboxen, mit der man auch Vergnügen hat an Mozarts Blech und dem Holz von Cimarosa.

Der Austausch der Steuereinheit soll bei knapp 3.000,00 € liegen. Möglichkeiten der Reparatur der Software sind weitgehend unbekannt und beschränken sich auf Gerüchte von Nerds im Internet im Thema Autotuning.

Die Italiener also? Das Gerät stammt von Siemens und war nach Auskunft des Schraubers meines Vertrauens auch von Porsche verbaut, mit den gleichen Ausfällen und Reparaturproblemen.

Ciao Zagato

Zum Jahreswechsel hat das Zagato in der Bergmannstr. an der Marheinekehalle geschlossen.

Jahrzehntelang Garant für einfache italienische Kultur gab es nahezu diesselbe Speisekarte, dieselben Bilder von Zagatos, dasselbe Essen und dieselbe hausgemachte Stimmung. Ein wenig Melancholie wehte einen manchmal an, ob Heimweh oder wegen der Verrücktheit dieses kleinen Raums, der so unbestechlich italienisches Wesen verkörperte, verrückt von seinen Wurzeln, ist nicht ausgemacht.

Ein Ort echten Lebens, mit der Noblesse der Einfachheit und unaufdringlicher Leistung. Eine Bar voll mit Erzählungen von Sorgen und Freuden. Ein schöner und ruhiger Ort.

Ich war nicht oft genug da, merke ich jetzt wieder. Das letzte mal lange im Spätsommer, als die Nächte noch lau waren saßen wir auf der Straße.

Mit Peroni und Sanbitter.

Der Koch erzählte und telefonierte

und erzählte. Und nach der Arbeit schob er seine Moto Guzzi, die so alt schien wie er selbst ein gutes Stück von den Häusern weg auf die Straße, rücksichtsvoll, selbstverständlich.

Ich habe selbst das Ende zu spät bemerkt.

Ciao Marco, Grüße die Familie. Danke und Füße runter von die Heizung, zacki, zacki.

s.a.: die Bergmannstraße, Kreuzberg´d

Capri hatte einen Einsiedler

Letztens hatten wir es wieder von Capri – das macht der überlange Berliner Winter und der trübe Übergang in den Sommer hinein aus uns. Man deliriert.  Lange war meine nächste Verbindung dazu die Malaparte-Villa in Godards Verachtung: Ein ungeahnter Brennspiegel der Geschichte des 20. Jahrhunderts, dazu ein andermal mehr.

Als der Umblaetterer dann an die schöne Ausgabe der Novellen von Paul Heyse erinnerte, entdeckte ich die intensiven und reichen Eindrücke und die darin enthaltene dennoch karge und bescheidene Stimmung zwischen Capri und Sorrent wieder in der Erzählung L´Arrabbiata:

„Warum muß er denn nach Capri, Großmutter? fragte das Kind. Haben die Leute dort keinen Pfarrer, daß sie unsern borgen müssen?“

„Sei nicht so einfältig,“ sagte die Alte. „Genug haben sie da und die schönsten Kirchen und sogar einen Einsiedler, wie wir ihn nicht haben.“

(Paul Heyse, L´Arrabbiata, z.B. hier)

Zur Figur des titelgebenden Mädchens vermerkt Heyse in seiner Autobiographie:

„Es war ein kaum siebzehnjähriges, blutarmes Ding, das mir dazu – saß, kann ich nicht sagen, da der Wildfang in beständiger, heftiger Bewegung war und daher von den Geschwistern in der Rosa magra jenen Spitznamen erhalten hatte; von Schönheit war in ihrem leidenschaftlichen, jungen Gesicht nichts anderes zu entdecken, als die feurigen Augen, die wundersam blitzten, wenn die Kleine mittags bei mir eintrat, mir ein paar irgendwo gestohlene Blumen auf den Tisch warf und dann im Zimmer herumsauste, daß ich sie endlich auf den Balkon hinausschaffen und die Glastür hinter ihr zuschließen mußte, durch die sie dann wie eine wilde Katze zu uns hereinfeixte. Sie hatte aber auch ihre stillen, melancholischen Tage, und beim Abschied brach sie in Tränen aus. Nach fünfzehn Jahren, als ich sie wieder sah, war sie eine gesetzte, gleichmütige, etwas korpulente Frau geworden und entsann sich nicht des Unfugs, den sie damals getrieben, während Luisa und ihre Schwester alles in gutem Gedächtnis behalten hatten.“ (auch z.B. bei Zeno)