Der Mensch ist keine Maschine, Amy Chua.

In diesen Tagen werde ich häufig erinnert an eine sehr denkwürdige Bühnendarstellung einer Punkband namens Suicides zu meiner Jugendzeit. Zu dem Baßlauf von Peter Gun offenbarte der Sänger seine Ansicht  der bürgerlichen Erscheinungen in ihm: „Der Mensch ist eine Maschine – innerlich kalt und leer.“ Die Aussage wurde bei gehöriger Gesamtinterpretation unterstrichen durch die Darstellung eines Analverkehrs oder jedenfalls dem, was ich in jener kurzen Zeitspanne davon hielt, die zwischen der ersten erstarrten Wahrnehmung und der dämmrigen Suche nach Deckung vor der mir aufgedrängten Offenbarung währte. Ich nehme an, man wollte uns damit den Hedonismus als leeren, zwanghaften Akt, als Durchführung des sinnentleerten Programms der Maschine Mensch vor Augen führen. Vielleicht war ihm auch nur danach. Jedenfalls war der Akt grob, laut und böse. Das war damals so.

(Abwärts:
Jetzt sei ruhig und halt den Kopf ganz still
Heut ist die Nacht wo ich es wissen will
Und jetzt tu nicht so als wenn du gar nichts fühlst weil du dann mit meinen Gefühlen spielst
Denk an Torpedos und an U-Boot Krieg
Und daran dass auf dir eine Leiche liegt
Denk an Feuer und Maschinengewehr und an den Sieg vom Deutschen Heer
Beim ersten Mal tut´s immer weh
Und manchmal tut es nur noch weh … )

Wie es sich häufig verhält bei solch rohen, gewalttätigen Darstellungen: Von dem überwältigenden Eindruck bleibt wenig mehr für die Erinnerung – vielleicht war da sonst nichts als Kälte und Leere zu bedauern.

Hier ist der Mensch noch Maschine.Hier ist der Mensch noch Maschine

Weshalb ich darauf komme ist die vergangene Diskussion über die geeigneten Erziehungsmethoden und das äußerst heterogene Bild des jungen Menschen, das unsere Zivilisation hat und damit unser Wunschbild und Abbild zugleich:

Die Erziehungsmethoden der Amy Chua sind nur diskussionswürdig, wenn man den Menschen als Sieger vor allen anderen akzeptieren will und damit die Gesellschaft oder den Staat oder den Nachbarn immer nur als Anderen, als Feind betrachtet, dem man zuvor kommen müsse. Die Russen, Chinese, Islamisten werden uns überrollen, wie uns Nachbars Kirschbaum, der Kollege auf der Karriereleiter, der Kindertagesstättenmitbewerber im Moment in den Nachteil setzt.

Nun reicht es sicher nicht, die befriedende Kraft der zivilen Gesellschaft rein dichotomisch mit dem gegenteiligen Modell zu verbinden: Das vielbeschworene Erziehungsmodell der Zivilgesellschaft war sicher immer verbunden mit der Humanität, der Würde des Menschen an sich, dem Menschen als Selbstzweck und der Ablehnung des Bildes vom Menschen als merkantiler – merkantilistischer Mehrwertfaktor, als Maschine: Reichtum der Bevölkerung ist Reichtum des Staates. Schnell hatte das im Merkantilismus erwachsende Bürgertum begriffen, daß es auf die Qualität ankam. Da durfte, ja musste man schonmal Klavier auch zum Selbstzweck spielen und nicht wegen des Mehrwerts. (Lang Lang ist eine Maschine …)

Gleich ob damit „der Westen“ als ideologischer Feind von Nationalsozialismus und Kommunismus oder der karriereunwillige Buddhist gemeint ist, gleich ob die unselige Konstruktion des Siegers aus Not gegen die Barbaren (Kissinger) oder die Finanzkrise als Ergebnis adrenalingeschwängerter Hasardeure ins Feld geführt wird. Historisch unabweisbar ist die Erkenntnis, daß die Siegermentalität auf lange Strecke nicht, nun ja, allzu gewitzt ist und meistens in einem Blutbad endet, dessen Ursprünge kopfschüttelnd dann mit Schicksal und dunklen Gemengelagen bedauert werden.

Diese Dichotomie reicht sicher nicht, aber sie ist ein Anfang. Der Sieger, der Führer, der Rosseführer, der Held der Arbeit, der neue Mensch des sozialistischen Staates, sie sind allesamt Vernichter, Weltenzerstörer.

Und wir sind nicht anders, wenn wir Kritik an der unsere Resourcen vernichtenden Konsumgesellschaft als Ideologie kritisieren und nicht in der Lage sind, hierüber eine objektive Kosten-Nutzen-Rechnung durchzuführen.