Ciao FAZ, 17.12.15

Dietmar Dath führt in der FAZ heute einmal mehr vor, weshalb er zu den wichtigen deutschen Journalisten gehört. Ich meine zuerst im Programm des Verbrecher-Verlags zuerst von ihm gehört zu haben. Seine Konzentration und Exzentrik spiegeln sich oftmals in schwer zugänglichen Sprachverwicklungen und schönen Wortmonstern, die notwendig die komplexe Erfassung der Welt jenseits gängiger Denkmuster spiegeln. Ähnlich sehe ich Patrick Bahners, nur wenn dieser auf Traditionen zurückgreift, kennt Dath Gegenwart und Zukunft, wobei ihm (beiden) die geographische Verbreiterung der persönlichen Erfahrungen erkennbar nochmals Tiefe verliehen hat.
Heute zeigt er, wie Literaturgeschichte zu Science Fiction, die Erfahrung gesellschaftlicher Entgrenzung und Massenkultur zusammenhängen. Star Wars nicht immer nur als pseudoreligiöse Erzählung gelesen.

Hilft alles nichts.

Die Entgrenzung der Gesellschaft in seinen Konsequenzen anzuerkennen fällt der FAZ in einer Weise schwer, die an Realitätsverweigerung grenzt. Die Kommentare von Jasper von Altenbockum etwa sind in Rhetorik und Politikverständnis sträflich unterkomplex, eine Beleidigung für einen halbwegs interessierten Leser. Hier findet keine Analyse mehr statt, sondern politische Agitation. Eine stetige Abfolge von Aggression, gönnerhafter Alphamännchenrethorik und angeblich unbezweifelbaren Weisheiten und Prämissen. Wenn die FAZ den Mann so sehr nach vorne pusht, muss ich feststellen, dass mein Verständnis einer qualitativen Tageszeitung als Information und Bildung, Auseinandersetzung auch mit Schlussfolgerungen nicht mehr mit demjenigen der Herausgeber übereinstimmt. Das was mich als Jugendlichen von der FAZ als konservative Streitschrift lange abgehalten hat, prägt jetzt wieder zunehmend das Bild seit Schirrmachers Ableben.

Die Forderung nach Grenzen ist eine allzu schlichte Forderung, die die Einbindung Deutschlands in das internationale Gefüge verkennt. Man sollte die Erfahrung Merkels und ihr Beharren darauf schon ernst nehmen und analysieren. Ich bin sicher kein Freund von ihr, aber ihre Maßnahmen als Ideologie hinzustellen, als eine Art gütlicher Illusion – das ist nur beleidigte Leberwurscht. Da fehlt es an Bereitschaft, die Komplexität der derzeitigen Ereignisse, der internationalen Beziehungen und deren Kausalverknüpfungen hinzunehmen und Machtpolitik zu analysieren.
Verkauft wird diese Agitation mit dem polemischen Aufbau von Gegnern und deren angeblicher Verblendung, mit dem Vorwurf, diese Gegner von Grenzen würden nicht erkennen, dass die „Menschen im Lande“ es nicht länger ertragen, dulden, aushalten könnten. So einfach ist es nun mal nicht und aus einer pragmatischen Perspektive betrachtet ist Abschottung ein untaugliches Mittel, das noch dazu höchst gefährlich ist.

Polemische Begründungen reichen selten weit und lassen im Wesentlichen erkennen, dass eine weitere Bereitschaft und echtes Interesse an Analyse und Lösungen nicht besteht. Zudem: Die Behauptung von den Menschen im Land ist auch falsch. Keine der bekannten Gruppierungen von den Grünen bis Gewerkschaften und gesellschaftlichen Kleinstbewegungen lassen die gebotene Verantwortung für die Menschen im und auf dem Land vermissen. Meist sind sie selbst diese Menschen und Verantwortung ist für diese Menschen das Gebot der Stunde. Nur die paar Randerscheinungen auf der linken Außenseite, die man ohne die Verweise dieser Kommentatoren gar nicht wahrnehmen würde, mögen hier für sich ein politisches Instrument zur Sprengung der Gesellschaft sehen. Ja mei, wen juckt das schon.

Die Forderung nach Grenzen ist aber nur ein Beispiel. Ebenso blind und im Übrigen auch blind gegenüber den Analysen in den eigenen anderen Ressorts findet sich etwa die Konzentration der Wirtschaft auf das Primat der ökonomisierenden Betrachtung, die jede mulitkausale Analyse im Keim erstickt und altbewährte zivilgesellschaftliches Verständnis oft nur mehr als Hemmschuh gegen ein überrannt werden von außen begreift. Hier findet sich wieder ein mangelndes Verständnis der Realität gesellschaftlicher Entgrenzung. Dem kann nicht durch im Kern protektionistische Maßnahmen entgegengewirkt werden. Das zeigt die ältere und neuere Geschichte.

Liebe FAZ, knapp 20 Jahre begleitest Du mich. Jetzt ist time für a little change of the scenery wieder mal a paar. Tut mir leid, Dath und Bahners und Voss und andere nun seltener zu lesen. Danke soweit.

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