informationelle Überlegenheit

Einer der Effekte in der aktuellen Krise wegen der Bedrohung der informationellen Selbstbestimmung und weiterer Grundrechte durch die Praxis der Geheimdienste aller Länder ist das massive Ungleichgewicht der Glaubwürdigkeiten.

Gegen einige offensichtlichen Negativkriterien und offenbare Erfahrungswerte stehen nicht überprüfbare Behauptungen unter dem Sigel der staatlichen Seriösität, deren Widerlegung so monströs wären, dass es schwer fällt damit umzugehen, weil die Glaubwürdigkeit der gesamten westlichen, rechtstaatlichen Welt damit bedroht wäre.

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Allein die Behauptung, der ganze billionenschwere Überwachungsapparat von Five Eyes und den europäischen Staaten diene der Terrorismusbekämpfung ist so ein Humbug, der immer wiedergekäut wird, jedoch sich jeglicher Nachweisbarkeit und tatsächlich auch dem gesunden Menschenverstand entzieht. Weder gibt es nachweisbare Erfolge, die auch reproduzierbar dem Einsatz der Überwachungstechnik zuzuordnen wären, noch ist die Technik und deren Einsatz auf die Aufdeckung von Terroristen zugeschnitten, noch würden die Ausgaben den Einsatz irgendwie rechtfertigen.

Nun sind wir nicht in der Lage ein Negativgutachten über die Gründe und strategischen Ziele der Überwachungspolitik zu fertigen: Es fehlen uns die Informationen. Und unsere Beobachtungstechniken aus dem Feld der klassischen Soziologie, Politik- und Geschichtswissenschaften führen uns zu der Annahme einer vollständigen Täuschung unserer Politiker über die Hintergründe.
Selbstverständlich geht es nicht um Terroristen. „It´s the Economy, stupid.“

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Es geht um Macht, um Einflusssphären und Schlüsseltechnologien. Es geht um den Aufbau einer Infrastruktur im Neuland und die eingebildetet Gewissheit, um die mit dem Stichwort Alternativlosigkeit bezeichnete Hysterie der Politik, am Ende zu den Gelackmeierten zu gehören, wenn man den Zug in dieses Land verpasst. Alle Hoffnungen der westlichen Staaten das Wirtschaftswachstum beizubehalten beruhen auf der möglichst vollständigen Ökonomisierung der Infrastruktur Internet, sei es Werbung, Unterhaltungsindustrie, Medizin, Finanzsektor, Consumerbereich oder Produktionstechniken. Das heißt, wer die Kontrolle über die Technik und die Verkehrswege des Internets hat, die Infrastruktur, der bleibt im Spiel. Der Rest wird Vasall.

Es wird enorm viel unternommen, diese bescheidenen Schlüsse aus den Offensichtlichkeiten als Verschwörungstheorie oder wutbürgerlich verrannt zu diffarmieren. Man sehe nur beispielhaft unter vielen die FAZ, die mit dem Altenbockum ein Ziehpferd auf der ersten Seite rennen lässt, das sich für nichts zu schade ist, insbesondere nicht, die eigenen Leser für so unterbelichtet zu halten, dass hinter dem BND-Gebaren trotzdem irgendwelche hehren sicherheitspolitischen Motive stünden, obwohl durch die Selektorenliste bekannt wird, dass tatsächlich, was sonst, klassische Wirtschafts- und Politikspionage betrieben wird.

Es geht, wie Gerhard Baum es nun ausdrückt, um informationelle Überlegenheit.

„Denn Snowden legte die Wirkungen eines monströsen Überwachungsapparates offen. Dessen Ziel ist nicht mehr und nicht weniger als die informationelle Überlegenheit. Keine Information soll dem Zugriff entzogen sein, keine Kommunikationsverbindung, kein Rechner oder Smartphone. Betrachtet man die einzelnen Instrumente der NSA und ihrer Verbündeten, der „Five Eyes“, insgesamt, ist man überrascht, wie nahe sie ihrem Ziel schon gekommen sind. Und das betrifft jeden Einzelnen von uns.“ schreibt Gerhard Baum in der Süddeutschen.

schilf

Manchmal sind die Dinge auch einfach. In der Praxis nimmt man die plausible Erklärung und keine, deren Prämissen nicht nachweisbar sind. Mit der aktuellen Krise machen wir es gerade umgekehrt und verlieren den Glauben an uns selbst, an die Werte, mit denen wir aufgewachsen sind. Und wir verlieren das Vertrauen in die Politik und die Medien, indem wir uns Erklärungen selbst zumuten, die nicht plausibel sind und den Verrat demokratischer Grundwerte zur Folge haben. Denn es reicht nicht, mit dem Finger auf „die Politik“ zu zeigen. Wir sind es selbst, die uns daran gewöhnt haben, offensichtliche Einsichten wahrzunehmen, sei es die Herkunft unseres Essens, die Arbeitsbedingungen bei der Produktion unserer Kleidung, die Klimafolgen unserer Energieversorgung oder das Schleifen unserer Grundrechte durch die gewählte Ökonomie.
Wir sind die Spieler.

update: Natürlich wissen wir das Alle(s) schon längst.

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