Content does not matter // we kill people based on metadata

Das deutsche Strafrecht als die Speerspitze der Zivilisation darzustellen, ist sicher nicht angemessen.

Die Geschichte des deutschen Strafrechts hat jedoch in Bezug auf die Bürgerrechte ein Ordnungsmuster hervorgebracht, das als Standard bei der Beschäftigung mit der Zivilgesellschaft gelten darf: Die Grundsätze, dass eine Strafe drei Bedingungen hat:

– Ein Strafgesetz,
– eine Handlung, die durch das Strafgesetz unter Strafe gestellt wurde
– eine festgelegte Strafe.

Zugleich müssen alle Bedingungen vorliegen bevor es zur Strafe / Verhandlung kommt. Im Original heißt das bei Paul Johann Anselm von Feuerbach ( u.a. dem Vater von Ludwig Feuerbach und Großvater von Anselm Feuerbach):

„Hieraus fließen folgende, keiner Ausnahme unterworfene, untergeordneten Grundsätze:

I. Jede Zufügung einer Strafe setzt ein Strafgesetz voraus. (Nulla poena sine lege.) Denn lediglich die Androhung des Uebels durch das Gesetz begründet den Begriff und die r echtliche Möglichkeit einer Strafe.
II.) Die Zufügung einer Strafe ist bedingt durch das Daseyn der bedrohten Handlung. (Nulla Poena sine crimen.) Denn durch das Gesetz ist die gedrohte Strafe an die That als rechtlich nothwendige Voraussetzung, geknüpft.
III.) Die gesetzlich bedrohte That (die gesetzliche Voraussetzung ist bedingt durch die gesetzliche Strafe. (Nullum crimen sine poena legali.) Denn durch das Gesetz wird an die bestimmte Rechtsverletzung das Uebel als eine nothwendige rechtliche Folge geknüpft.“ (zit. nach Lehrbuch 10. Aufl 1828)

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Die Herleitung der Grundsätze hat viel mit Freiheit des Individuums, Etablierung einer stattlichen Ordnung, Gewaltmonopol des Staates, mit den Grenzen des Staates und der Verhinderung von Willkürherrschaft über das Strafrecht zu tun. Feste Regeln, formale Ordnung, Bürgerrechte und Rückwirkungsverbot.

Grundsätze, die unabhängig von der politischen Ausrichtung als Wegmarken westlicher Zivilisation gesehen werden dürfen. Kleine, mühsame Schritte auf dem Weg zum Schutz des Individuums vor staatlicher oder personaler Willkürherrschaft.

In der Überlegung zu den Grundsätzen des modernen Strafrechts wird oft vergessen, dass sich da gerade die bürgerliche Gesellschaft in ihrem Handlungsraum etabliert. Es setzt sich die Freiheit des Individuums durch und der Glaube an die Handlungsfreiheit. Gesetz wird, worauf sich die Gesellschaft einigt. Der Prozeß der Verhandlung über strafbare Handlungen, Strafgesetze und Rechtsfolgen wird ein zentraler Baustein der Selbstbestimmung der Zivilgesellschaft. Mitbestimmung, Landtage, Parlamentarismus – alles folgt aus diesen Überlegungen und der Erfahrung, dass die Willkürherrschaft der Kleinfürsten ein letztlich ungeeignetes und unproduktives Herrschaftssystem produziert. Die Bürger trotzen in einem langem Prozeß dem Absolutismus die Partizipation ab, Verfassungen und letztlich Demokratie.
Mit der Verhandlung, was Gesetz ist oder wird und welche Strafe angemessen sein soll, wird freilich auch die Handlungsfreiheit definiert und das, was eine Handlung ist, wird inhaltlich bestimmt. Der Inhalt der Handlung und der Erfolg der Handlung.

All das wird gegenwärtig aufgegeben. Das prädiktive Strafrecht wird schon länger diskutiert (Minority Report, Guantanomo, NSA-Skandal). Es spielt keine Rolle mehr, was man getan hat, vielleicht noch, was man tun wird. you don´t really need content. Die Gefährlichkeit einer Person für das Sozialwesen wird bestimmt durch seinen Standort im gesellschaftlichen Raum, nicht durch sein Verhalten.

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Diese Entwicklung lässt sich auf folgende zwei Statements reduzieren.

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As NSA General Counsel Stewart Baker has said, “metadata absolutely tells you everything about somebody’s life. If you have enough metadata, you don’t really need content.” When I quoted Baker at a recent debate at Johns Hopkins University, my opponent, General Michael Hayden, former director of the NSA and the CIA, called Baker’s comment “absolutely correct,” and raised him one, asserting, “We kill people based on metadata.”

via The New York Review Of Books

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