Michael Hudson, „Der Finanzsektor betreibt eine neue Art der Kriegsführung„
Shoshana Zuboff spricht vom militärisch-informationellen Komplex, von einer Kampfansage gegen die Enteignung durch den Überwachungskapitalismus.
Die Dimension einer weltweiten Auseinandersetzung um wirtschaftliche Vorherrschaft ist evident. Die Feindseligkeit der Auseinandersetzung ist dabei strittig, ähnlich den Luftraumverletzungen, die anhand der Auslegung von internationalen Abkommen und nicht-öffentlichen Verkehrsdaten immer an der Grenze zwischen internationalem und nur diplomatischem Konflikt stehen.
Warren Buffett: Klassenkampf herrscht in den USA seit 20 Jahren, und meine Klasse hat gewonnen.
Lloyd Blankfein will beschwichtigen: We are worriers, not Wariors.
Angestoßen hatte das Thema nicht Frank Schirrmacher, aber er hat ihm Kraft verliehen und durch Hudson, Zuboff, Graeber, Evgeny Morozov, Constanze Kurz, Frank Rieger, Trevor Paglen usf. Gehör verschafft hat (anstatt links zur FAZ: technologischer Totalitarismus). Seit seinem Ableben hat die Diskussion keine Kraft mehr. Es ist schwer zu sagen, ob die Wirksamkeit solcher Debatten tatsächlich an seiner Person festgemacht werden konnte. Vor Allem hat er dem Thema Glaubwürdigkeit verliehen und aus der schwierigen Ecke der Bedenkenträger und Besorgten, der Mahner und Kassandras herausgeholt, indem er durch seinen Status und die FAZ etwas ausschließen konnte, was für rationale Argumente tödlich ist: Naivität. Der Vorwurf der Naivität degradiert jedes Argument in den Hinterhof des Kenntnislosen und Realitätsfernen. Die innere Haltung des Kampfes, der Ausweis einer Kampfmoral verschafft den Argumenten erst die breite Respektabilität, die sie benötigen, um breit wahrgenommen zu werden. Naivität ist dabei die despektierliche Beschreibung der rationalen Kritik gegen die normative Kraft des Faktischen.
Wackersdorf war in diesem Sinn naiv, Brockdorf war naiv, Castor war naiv, das Volkszählungsbegehren war naiv. Demokratische Prozesse.
Nicht anders ist es mit TTIP. Auch hier hat erst die Beharrlichkeit der Kritiker (zusammen mit ein paar prominenten Stimmen) die Respektabilität geschaffen.
TTIP muss unter dem Aspekt der Kritiken und unter dem Aspekt der Verhandlungsführung als ein Teil des Kampfes um ökonomische Vorherrschaft gesehen werden. Gemeinsam mit dem „Überwachungskapitalismus“, militärisch-informationellen Komplex oder schlichter der BigData-Industrie ist dem Handelsabkommen der Eingriff in die demokratischen Entscheidungsbefugnisse. Die Kritik an TTIP sollte nicht den Fehler begehen, zu verkennen, dass Wirtschaft bereits zuvor erheblichen Einfluss auf die demokratischen Prozesse genommen und Demokratie delegitimiert hat. Die Kritik sollte sich auch nicht in die Ecke stellen, sowohl die Gewalttätigkeit, als auch die Notwendigkeit der Wirtschaft in der Gesellschaft anzuerkennen.
TTIP muss jedoch auch unter dem Aspekt gesehen werden, dass offensichtlich der demokratische Prozess erst die Basis schafft für Prosperität. Das ist der Kern der Kritik. Es stellt sich also nur die Frage nach dem Primat der Politik, oder nicht.
10. Oktober 2015 TTIP-Demo in Berlin.